Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer AGB-Klausel über Nichterstattung von Steuern und Gebühren bei Flugbeförderung
Leitsatz (amtlich)
1. Die formularmäßige Vereinbarung einer Rechtswahl über das Vertragsstatut ist bei einem Personenbeförderungsvertrag auch dann wirksam, wenn der Verbraucher nicht auf die Beschränkten Wahlmöglichkeiten nach Art. 5 Abs. 2 Rom-I VO eingewiesen worden ist.
2. Eine Klausel, die im Fall der Stornierung eines Flugbeförderungsvertrages vorsieht, das Steuern und Gebühren, selbst wenn sie auf der Anzahl der beförderten Fluggäste basieren, nicht erstattet werden, ist nach englischen und walisischen Recht nicht unwirksam.
Normenkette
EWGRL 93/13 § 5; Rom-I IV Art. 5; Rom-I VO Art. 3; UKlaG § 4 a
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 14.12.2017; Aktenzeichen 2-24 O 8/17) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14.12.2017 - Az. 2-24 O 8/17 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beklagte ist ein Luftfahrtunternehmen mit Sitz in Stadt1, England. Sie bietet auf ihrer Internetseite www.(...).de, die auch in deutscher Sprache aufgerufen werden kann, die Möglichkeit, Flüge online zu buchen.
Der Kläger, ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragener Verein, begehrt von ihr die Unterlassung der Verwendung einer Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Wegen des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Zu ergänzen ist, das die britische Passagierabgabe APD in jedem Fall des Nichtantritts des Flugs erstattet wird (Ziffer 6.4. der AGB der Beklagten).
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil dem Unterlassungsbegehren entsprochen. Es hat sich für international und örtlich zuständig gehalten. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergebe sich aus Art. 7 Nr. 2 EuGVVO.
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch folge aus § 1 UKlaG i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB . Anzuwenden sei gemäß Art. 6 Abs. 1 Rom-II-VO deutsches Recht. Die streitgegenständliche Klausel in Art. 6.1. Abs. 4 der AGB der Beklagten müsse sich an den §§ 307 ff BGB messen lassen, da die Parteien das Recht von England und Wales nicht wirksam als Sachrecht gewählt hätten. Die vorformulierte Rechtswahlklausel beurteile sich nach Art. 3 und 5 Klausel-RL, welche als lex specialis der Rom-I-VO vorgingen. Danach habe der Gewerbetreibende den Verbraucher über bindende Rechtsvorschriften zu unterrichten, welche die Wirkungen einer Rechtswahlklausel bestimmen. Dieser Anforderung genüge hier die Rechtswahlklausel nicht, da Art. 29 der AGB der Beklagten lediglich auf das Recht von England und Wales verweise, ohne auf die bindende, dem Schutz des Verbrauchers dienende Beschränkung der Rechtswahlfreiheit des Art. 5 Abs. 2 UA 2 Rom-I-VO hinzuweisen. Insoweit verfange auch nicht der Einwand der Beklagten, dass das Urteil des EuGH vom 28.7.2016 - Az. C-191/15 nicht einschlägig sei. Denn die gegenüber dem Verbraucher bestehende Informationspflicht folge vorliegend gerade nicht aus Art. 6 Abs. 2 Rom-I-VO, sondern aus Art. 5 Abs. 2 UA 2 Rom-I-VO. Die Erwägungen des EuGH, die zur Unwirksamkeit einer Rechtswahlklausel im Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 2 Rom-I-VO führten, sei auf den Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 2 Rom-I-VO zu übertragen. Der Verbraucher müsse wissen, dass das gewählte Recht der eingeschränkten Wahlmöglichkeit des Art. 5 Abs. 2 UA 2 Rom-I-VO entspreche, um ihm die Möglichkeit der Prüfung zu eröffnen, ob das gewählte Recht auch ein hiernach wählbares Recht sei. Mangels Wirksamkeit der Rechtswahl des Art. 29 der AGB der Beklagten sei mithin nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 Rom-I-VO für in Deutschland lebende Verbraucher, die bei der Beklagten Flüge mit Abgangs- oder Bestimmungsort in Deutschland buchten, deutsches Recht anwendbar. Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sei Art. 6.1. Abs. 4 der AGB der Beklagten unwirksam, weil er mit wesentlichen Grundgedanken des § 649 BGB nicht zu vereinbaren sei und damit den Verbraucher unangemessen benachteilige. Denn die dem Luftbeförderer vom Flughafenbetreiber auferlegten Steuern und Gebühren fielen nur an, wenn der Reisende den Flug tatsächlich antrete, und stellten sich im Falle einer Kündigung als ersparte Aufwendungen dar, die vom Unternehmer an den Verbraucher herauszugeben seien. Die Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Klauselverwendung folge aus der unterlassenen Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung seitens der Beklagten. Der Anspruch d...