Leitsatz (amtlich)

Zum Marktwert von SAP-Call-Optionen nach der Insolvenz von Lehman-Brothers

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 22.08.2012; Aktenzeichen 2-18 O 374/10)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 22. August 2012, Az. 2 - 18 O 374/10, teilweise wie folgt abgeändert.

Die Klägerin zu 1 wird verurteilt, an die Beklagte einen Betrag in Höhe von 12.974.000,- EUR zu zahlen Zug um Zug gegen Übertragung der von der Beklagten derzeit noch als Sicherheit unter dem Sicherheitenvertrag vom 19. Dezember 2005 gehaltenen 300.000 X-Aktien auf ein von der Klägerin zu 1 zu benennendes Depotkonto.

Die Klägerin zu 2 wird verurteilt, an die Beklagte einen Betrag in Höhe von 12.974.000,- EUR zu zahlen Zug um Zug gegen Übertragung der von der Beklagten derzeit noch als Sicherheit unter dem Sicherheitenvertrag vom 19. Dezember 2005 gehaltenen 300.000 X-Aktien auf ein von der Klägerin zu 2 zu benennendes Depotkonto.

Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

Die Feststellungsklage, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache bezüglich der negativen Feststellungsklage der Klägerinnen erledigt hat, wird abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten der ersten und zweiten Instanz tragen die Klägerinnen je zur Hälfte. Hinsichtlich der Kosten der Revision gilt Folgendes: Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen die Klägerinnen je 44 % und die Beklagte 12 %. Die Beklagte trägt 12 % der außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen, die diese Kosten im Übrigen selbst tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für die Berufung wird auf 30.000.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Optionsgeschäft nach Insolvenz der Beklagten.

Die Klägerin zu 1 ist eine gemeinnützige Stiftung in der Rechtsform einer GmbH. Ihr Vermögen besteht im Wesentlichen aus X-Aktien. Die Klägerin zu 2 ist eine Kommanditgesellschaft, deren Gegenstand das Halten und Verwalten von Vermögen ist. Ihr Vermögen besteht unter anderem aus X-Aktien. Die Beklagte hat ihren Sitz in Stadt1. Sie ist eine Handelsgesellschaft englischen und walisischen Rechts und gehört zu der aus der Finanzkrise 2008 bekannten Lehman-Gruppe.

Am 26. Oktober 2005 schloss die Beklagte mit beiden Klägerinnen telefonisch je vier inhaltsgleiche Optionsgeschäfte (Serien A - D) in Bezug auf X-Aktien ab. Dabei räumten die Klägerinnen der Beklagten Kaufoptionen für X-Aktien dergestalt ein, dass die Beklagte das Recht hatte, zu einem bestimmten Stichtag eine bestimmte Anzahl von X-Aktien zu einem bestimmten Kaufpreis (Ausübungspreis) zu erwerben. Nach den von den Parteien unterzeichneten Bestätigungsschreiben vom 19. Dezember 2005 sollten die Kaufoptionen als ausgeübt gelten, wenn der Börsenkurs der X-Aktien am Stichtag höher oder gleich dem vereinbarten Ausübungspreis sein würde; andernfalls sollten die Optionen verfallen.

Die Optionsgeschäfte wurden in der Folgezeit mehrfach durch Nachtragsvereinbarungen in Bezug auf die Zahl der veroptionierten X-Aktien, den Optionspreis und den Stichtag geändert.

Den Einzelabschlüssen lag u.a. der "Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte" (im Folgenden: Rahmenvertrag) zugrunde. Aufgrund eines mit den Klägerinnen jeweils am 19. Dezember 2005 unterzeichneten "Security Agreement" verfügt die Beklagte über X-Aktien, die die Klägerinnen ihr als Sicherheit für ihre Optionsverbindlichkeiten in Verwahrung gegeben und verpfändet haben.

Am 15. September 2008 wurde über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren nach englischem Recht ("administration") eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt war noch je ein Optionsgeschäft der Serie C mit Ausübungsstichtag 18. Dezember 2009 über jeweils 2 Mio. X-Aktien zu einem Kaufpreis in Höhe von 36,10 EUR je Aktie offen. Der Schlusskurs der X-Aktie belief sich am 15. September 2008 auf 38,15 EUR, am 18. Dezember 2009 - dem vorgesehenen Stichtag - auf 32,205 EUR.

Die Parteien streiten darüber, welche finanziellen Auswirkungen die Insolvenz der Beklagten hat.

Der Streit hat sich insbesondere an den in Ziff. 8 ("Schadensersatz und Vorteilsausgleich") und Ziff. 9 ("Abschlusszahlung") des Rahmenvertrags enthaltenen Regelungen entzündet, die die Parteien unterschiedlich ausgelegt haben.

Die Beklagte hat sich auf der Basis von Ziff. 8 und 9 des Rahmenvertrags einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 12,974 Mio. EUR je streitgegenständlichem Optionsgeschäft errechnet und vor diesem Hintergrund die Herausgabe der als Sicherheit hinterlegten X-Aktien verweigert. Sie hat damit argumentiert, dass der Marktwert der streitgegenständlichen Optionsgeschäfte im Zeitpunkt der Insolvenz bei je 12,974 Mio. ...

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