Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückabwicklung des Kaufvertrages über ein Dressurpferd

 

Leitsatz (amtlich)

Vernarbungen im Bereich der Maulwinkel sprechen für sich genommen nicht für eine chronische Erkrankung. Es handelt sich um einen Befund, der aufgrund reiterlicher Einwirkung eintreten kann und keinen wahrscheinlichen Rückschluss auf eine Erkrankung bei Gefahrübergang zulässt. Die Vermutung des § 476 BGB ist mit der Art eines solchen Mangels unvereinbar.

 

Normenkette

BGB §§ 90a, 434, 474, 476

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 28.05.2020; Aktenzeichen 2-14 O 62/18)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Rückabwicklung des Kaufvertrages über ein Reitpferd.

Der Beklagte betreibt einen Zucht- und Ausbildungsstall für Reitpferde unter der Bezeichnung "A". Die Klägerin erwarb am 20.1.2015 vom Beklagten den Hengst "B" zum Preis von EUR 65.000. Zuvor hatte sie das Pferd am 10.1. und am 11.1.2015 besichtigt und reiterlich erprobt. Am 20.1.2015 fand in der Tierklinik Stadt1 eine Ankaufsuntersuchung statt (Anlage K75). Im Anschluss wurde das Pferd der Klägerin übergeben.

In der Folgezeit zeigten sich Probleme mit der Anlehnung des Hengstes beim Beritt. Die von der Klägerin konsultierte Tierärztin C diagnostizierte laut Rechnung vom 2.4.2015 einen offenen rechten Maulwinkel sowie ein Überbein der linken Lade (Anlage K2).

Im Juli 2017 brachte die Klägerin das Pferd dem Beklagten zurück. Dort lebte es fortan. Mit Anwaltsschreiben vom 10.10.2017 setzte die Klägerin erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung (Anlage K7). Mit Anwaltsschreiben vom 25.10.2017 trat sie vom Kaufvertrag zurück (Anlage K9).

Die Klägerin hat behauptet, das Pferd habe bereits bei Übergabe ein Überbein der Lade sowie Vernarbungen in der Mundhöhle gehabt. Diese Vorerkrankungen seien der Grund für die Probleme bei der Anlehnung. Das Pferd könne nicht mit Gebiss geritten werden. Die Reitweise der Klägerin oder ihrer Angehörigen seien hingegen nicht ursächlich für irgendwelche körperlichen Beschwerden des Pferdes B sei als Dressurpferd ungeeignet.

Der Beklagte hat behauptet, B sei ein talentiertes Dressurpferd. Es sei ohne Mängel und Vorerkrankungen übergeben worden. Etwaige Rittigkeitsprobleme seien allein auf die reiterliche Einwirkung nach der Übergabe zurückzuführen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass das Pferd bei Gefahrübergang nicht mangelbehaftet gewesen sei. Der Klägerin habe daher kein Recht zum Rücktritt zugestanden. Auf eine bloße "Unrittigkeit" könne die Klägerin die geltend gemachten Ansprüche nicht stützen.

Gegen diese Beurteilung wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Im Berufungsverfahren wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen. Die Klägerin trägt vor, das Pferd leide unter chronischen Verletzungen der Maulhöhle, nämlich an einem vernarbten Maulwinkel, der bei leichtester Beanspruchung aufplatze, sowie an einer pathologischen Zubildung auf der Lade. Eine langfristige Nutzung als Dressurpferd sei deshalb ausgeschlossen, was sich bereits innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang gezeigt habe.

Nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils forderte die Klägerin den Beklagten zur Herausgabe des Pferdes auf. Der Beklagte berief sich im Hinblick auf Unterhaltskosten auf ein Zurückbehaltungsrecht (Anlagen K84-86). Die Klägerin hinterlegte beim Amtsgericht Stadt2 zur Absicherung der vom Beklagten behaupteten Ansprüche einen Betrag in Höhe von EUR 40.000. Bei Abholung am 30.11.2020 erbrachte sie eine weitere Zahlung in Höhe von EUR 10.780,56 (Anlage K87). Mit Schreiben vom 8.12.2020 erklärte sie gegenüber dem Beklagten erneut den Rücktritt. Für eine weitere Untersuchung in der Tierklinik Stadt1 fiel ein Betrag von EUR 1.526,84 (Anlage K90), für den Transport ein Betrag von EUR 870 an (Anlage K89). Im Januar 2021 verkaufte die Klägerin das Pferd zum Preis von EUR 10.000 weiter (Anlage K91).

Die Klägerin hat im Berufungsrechtszug zunächst ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgt. Mit Schriftsatz vom 21.5.2021 hat sie ihre Anträge neu gefasst.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin EUR 111.630,41 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus EUR 65.000 seit dem 24.11.2017 aus EUR 33.453,01 ab Rechtshängigkeit sowie aus EUR 3.177...

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