Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Reichweite des Sachlichkeitsgebots bei der Anwaltswerbung
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 12.11.2003; Aktenzeichen 2-6 O 275/03) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 12.11.2003 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes i.H.v. bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, wie folgt zu werben:
"Soweit erforderlich, werden wir auch Klage erheben. Wir werden Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sorgfältig begründen und den Gerichtstermin auf jeden Fall wahrnehmen.
Dies unterscheidet uns von einigen anderen auf diesem Gebiet tätigen Anwälten/innen, bei denen der Sachvortrag häufig recht dürftig ist und keine Vertretung in der mündlichen Verhandlung erfolgt. So geht z.B. Rechtsanwalt X aus - nie zur mündlichen Verhandlung, so dass ihn einige Richter bereits als "Phantom" bezeichnet haben.
Wir werden als adäquate Gesprächspartner auch von den Richtern geschätzt (...)."
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 35.000 EUR abwenden, soweit nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschwer des Beklagten: 30.000 EUR.
Gründe
I. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil (Bl. 63 ff. d.A.) wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Das LG hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der an seiner Auffassung festhält, die Werbung des Beklagten verletze das Sachlichkeitsgebot der §§ 43b BRAO, 6 Abs. 1 BORA.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und es dem Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, wie folgt zu werben:
"Soweit erforderlich, werden wir auch Klage erheben. Wir werden die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sorgfältig begründen und den Gerichtstermin auf jeden Fall wahrnehmen.
Dies unterscheidet uns von einigen anderen auf diesem Gebiet tätigen Anwälten/innen, bei denen der Sachvortrag häufig recht dürftig ist und keine Vertretung in der mündlichen Verhandlung erfolgt. So geht z.B. Rechtsanwalt X aus - nie zur mündlichen Verhandlung, so dass ihn einige Richter bereits als "Phantom" bezeichnet haben.
Wir werden als adäquate Gesprächspartner auch von den Richtern geschätzt (...)."
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Er vertritt die Auffassung, die beanstandete Werbung könne ihm mit Rücksicht auf die aktuellen Rechtsprechung des BVerfG zum Standesrecht der freien Berufe nicht untersagt werden.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen Bezug genommen.
II. Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Die beanstandete Werbung verstößt gegen das Sachlichkeitsgebot der §§ 43b BRAO, 6 BORA und stellt damit zugleich unlauteren Wettbewerb gem. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG (§ 1 UWG a.F.) dar.
Vorab ist klarzustellen, dass die im Klageantrag und im Tenor wiedergegebene Passage im Kontext angegriffen wird, nicht die einzelnen Sätze isoliert voneinander. Die Klage ist daher bereits begründet, wenn eine der darin enthaltenen Werbeaussagen unlauter ist.
Wie im Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat im Eilverfahren (Aktenzeichen 6 U 29/03) bereits ausgeführt, sind die ersten beiden Sätze der angegriffenen Passage ("Soweit erforderlich werden wir auch Klage erheben. Wir werden die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sorgfältig begründen und etwaige Gerichtstermine auf jeden Fall wahrnehmen.") für sich betrachtet nicht zu beanstanden. Die Aussagen sind noch als sachliche Unterrichtung i.S.d. §§ 43b BRAO, 6 BORA zu verstehen. Diese Vorschriften sind im Hinblick auf Art. 12 GG restriktiv auszulegen und verbieten den Rechtsanwälten eine Werbung nicht, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrages im Einzelfall gerichtet ist (BVerfG WRP 2001, 1284 [1286] - Umfassende Rechtsberatung). Diese Grenze wird von den ersten beiden Sätzen der angegriffenen Passage beachtet. Die Aussage, Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung würden sorgfältig begründet, enthält zwar ein wertendes Element, das sich aber vom Boden der Sachlichkeit nicht so weit entfernt, das eine Einschränkung der Berufsfreiheit durch ein entsprechendes Werbeverbot zu rechtfertigen wäre.
Demgegenüber wird das Sachlichkeitsgebot durch die nächsten beiden Sätze ("Dies unterscheidet uns von einigen anderen auf diesem Gebiet tätigen Anwälten/innen, bei denen der Sachvortrag häufig recht dürftig ist und keine Vertretung in den mündlichen Verhandlungen erfolgt. So geht z.B. ein Rechtsanwalt X aus ... nie zu mündlichen Ve...