Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 10.09.2020; Aktenzeichen 2-03 O 473/19) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10. September 2020 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main - 2-03 O 473/19 - abgeändert und wie folgt neu gefasst.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits, und zwar beider Rechtszüge, zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.500,- EUR vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 45.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt Unterlassung einer ihn betreffenden Textberichterstattung.
Die Beklagte betreibt die Online-Plattform www.(...).de, wo sie den Beitrag "Nach A-Besuch: Jetzt packt der Geistliche (- die im Originaltext genannte Amtsbezeichnung wurde neutralisiert - die Red.) aus" veröffentlichte. Die Beklagte betreibt auch die Online-Plattform (...).de, wo sie den Beitrag "A: Jetzt packt ein Bekannter der Familie aus!" veröffentlichte.
Beide Artikel beschäftigen sich mit dem Besuch des Geistlichen B, der im Jahre 2016 im Haus des Klägers stattfand und erst Ende des Jahres 2018 durch Veröffentlichungen in der Zeitschrift "C" und der "D" - Zeitung ein großes Medienecho auslöste.
Wegen des genauen Inhalts der Artikel wird auf die Anlagen K 1 und K 2 (Bl. 10 - 12 d. A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat vier der fünf inkriminierten Äußerungen untersagt.
Es hat die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, in Bezug auf den Kläger zu behaupten/behaupten zu lassen:
1. "(...), dann brachte ein Therapeut A ins Wohnzimmer.",
2. "Ich begrüßte A und hielt seine Hände, die warm waren.",
3. "Zum Abschied habe ich mit dem Daumen ein Kreuzzeichen auf seine Stirn gezeichnet und ihm mein Gebet versprochen.", so wie dies im Internet und dort unter "www.(...).de" unter der Überschrift "Nach A-Besuch: Jetzt packt der Geistliche aus" geschehen und aus der Anlage K 1 ersichtlich ist, sowie
4. "Ich saß ihm gegenüber, fasste ihn an beiden Händen und schaute ihn an. Sein Gesicht ist so, wie wir es alle kennen, das typische A-Gesicht; nur ein wenig fülliger ist er geworden." so wie dies im Internet und dort unter "(...).de" unter der Überschrift "A: Jetzt packt ein Bekannter der Familie aus!" geschehen und aus der Anlage K 2 ersichtlich ist.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt: Die Äußerungen beträfen die Privatsphäre des Klägers. Die Beklagte habe sich die Äußerungen von Geistlichen B zu eigen gemacht. Das Persönlichkeitsrecht des Klägers überwiege das Recht der Beklagten auf Meinungs- und Pressefreiheit. Ein sachbezogenes öffentliches Informationsinteresse bestehe nicht. Die private Zusammenkunft habe auch keinerlei Bezug zu der früheren sportlichen Tätigkeit des Klägers. Die Tatsache, dass der Geistliche die Begegnung öffentlich gemacht habe, weil er angeblich gemeint hat, dass das in Ordnung gehe, stelle eben nur eine Meinung des Geistlichen dar. Der Kläger selbst oder aber eine andere Person in seinem Namen habe der Veröffentlichung weder ausdrücklich noch konkludent zugestimmt. Darüber hinaus mache der Kläger durch sein Verhalten nach dem Unfall gerade deutlich, dass er Informationen über sein Privatleben, insbesondere solche über seinen Gesundheitszustand, der Öffentlichkeit nicht zur Kenntnis bringen möchte.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen das ihr am 16. September 2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einer am 16. Oktober 2020 bei Gericht eingegangenen Schrift Berufung eingelegt, die - nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist - mit einem am 16. Dezember 2020 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet worden ist.
Die Beklagte rügt Rechtsfehler und unzutreffende Tatsachenfeststellungen und wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Verurteilung zur Unterlassung der vier vorgenannten Äußerungen.
Sie trägt vor: Das Landgericht habe Streitiges als unstreitig behandelt, nämlich dass der Besuch des Geistlichen B im Jahre 2016 der Öffentlichkeit bis November 2018 nicht bekannt gewesen sei, ferner, dass es sich um ein seelsorgerisches Treffen gehandelt habe.
Das Landgericht habe überdies Unstreitiges als streitig behandelt, nämlich, dass der Kläger ein Pflegefall sei.
Verkannt habe das Landgericht, dass es sich bei der Berichterstattung um einen allenfalls geringfügigen Eingriff handele. Der räumliche Privatsphärenschutz sei für die Bildberichterstattung entwickelt worden und gar nicht auf die Wortberichterstattung übertragbar. Die Berichterstattung sei detailarm. So beinhalte sie keine Bezugnahme auf den aktuellen Gesundheitszustand des Klägers; neue Rückschlüsse der Leser auf den Gesundheitszustand des Klägers ließe sie nicht zu.
Das Landgericht verkenne den Umfang des berechtigen Informationsinteresses der Öffentlichkeit an der streitgegenständlichen Berichterstattung.
Das Interesse am Kläger bestehe, weil er ein tragisch verunglückt...