Entscheidungsstichwort (Thema)
Anlageberatung: Hinweispflicht der Bank auf konkretes Emittentenrisiko bei Lehmann-Zertifikaten im August 2008
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 30.12.2010; Aktenzeichen 2-19 O 144/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Frankfurt/M. vom 30.12.2010 - Az. 2-19 O 144/10 - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert.
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 52.654,93 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.2.2010 zu zahlen, Zug um Zug gegen die Übereignung von 70 Stück Zertifikaten Lehman Brothers Treas. Co. B. V. Glob Champ. N. 13.5.2010 Basket mit der WKN A0MJHE.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der unter 1. benannten Wertpapiere im Annahmeverzug befindet.
3. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklage 40 %, der Kläger 60 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht gegen die beklagte Bank Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung geltend.
Der Kläger erwarb am 8.2.2007 nach Beratung durch die Beklagte 80 Stück des Global Champion Zertifikats der Emittentin Lehman Brothers Treasury Co. B.V. zu einem Preis von 80.348 EUR. Dieser entsprach dem Kurswert. Die Beklagte klärte den Kläger nicht darüber auf, dass sie hierfür von der Emittentin 3,5 % Vertriebsprovision erhielt.
Weil die Basisindizes, von denen die Bonuszahlungen abhingen, zurückgegangen waren, ließ der Kläger sich am 11.8.2008 erneut von der Beklagten beraten und erwarb weitere 70 Zertifikate zum Preis von 52.654,93 EUR. Diese besorgte die Beklagte über die Börse und berechnete dem Kläger hierfür neben dem Kurswert eine Provision von 1 %, eine Vertriebsprovision erhielt die Beklagte nicht.
Nachdem die Zertifikate infolge der Insolvenz der Emittentin am 15.9.2008 wertlos geworden sind, macht der Kläger den gezahlten Kaufpreis abzgl. ausgeschütteter Erlöse als Schadensersatz gegen die Beklagte geltend.
Das LG hat der Klage durch Urteil vom 30.12.2010, auf dessen tatsächliche Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird, in vollem Umfang stattgegeben. Die Beklagte habe ihre vertragliche Pflicht zur Beratung des Klägers bei den Erwerbsgeschäften verletzt. Beim ersten Kauf hätte sie den Kläger auf die erhaltene Verkaufsprovision hinweisen müssen, beim zweiten Kauf auf die in der Fachpresse bereits diskutierte Möglichkeit einer Insolvenz der Emittentin.
Gegen dieses, ihr am 4.1.2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 12.1.2011 eingegangene und - nach Verlängerung der Frist bis zum 1.4.2011 - am 31.3.2011 begründete Berufung der Beklagten, mit der sie eine Abweisung der Klage erstrebt. Sie ist der Ansicht, eine Pflicht zur Offenlegung der Provision habe nicht bestanden und behauptet, bei dem Kauf am 8.2.2007 habe es sich um ein Festpreisgeschäft gehandelt, bei dem ein Gesamtpreis ("all inclusive") abgerechnet worden sei. Dem Zedenten seien keine Fremdkosten in Rechnung gestellt und keine Gebühren des Emittenten weiter belastet worden, die an die Beklagte zurückgeflossen seien. Vielmehr habe sie marktübliche Erträge in einer Größenordnung von 3,5 % erzielt. Sie ist der Ansicht, die vom BGH für den Erwerb von Fondsanteilen entwickelten Grundsätze seien auf den hier im Streit stehenden Verkauf von Zertifikaten nicht anwendbar, was der einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung entspreche.
Hilfsweise stellt die Beklagte darauf ab, dass der Kläger durch wiederholte Hinweise auf den Rückseiten ihrer Wertpapierabrechnungen ausreichend über die beim Vertrieb von Wertpapieren erzielten Erträge aufgeklärt worden sei. Eine unterstellte Aufklärungspflichtverletzung habe sie nicht zu vertreten, eine solche sei nicht kausal für den mit der Klage geltend gemachten Schaden geworden.
Eines Hinweises auf das Insolvenzrisiko der Emittentin habe es nicht bedurft, weil mit einer solchen nicht zu rechnen gewesen sei. Jedenfalls aber habe der Kläger das Risiko gekannt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsrechtszug wird auf ihren Schriftsatz vom 31.3.2011 (Bl. 294 ff. d.A.) Bezug genommen
Der Kläger, der Zurückweisung des Rechtsmittels beantragt hat, verteidigt das angefochtene Urteil. Er ist der Ansicht, eine Offenlegungspflicht hinsichtlich der Vertriebsprovision bestehe unabhängig davon, ob diese als Rückvergütung anzusehen sei, weil jeder verdeckte Vertriebsanreiz, unabhängig davon, ob er eingepreist sei oder nicht, eine Interessenkollision der Bank begründe. Er behauptet, die Beklagte habe die Zertifikate im Rahmen einer Vertriebsabrede zu einem verbilligten Preis von der Em...