Entscheidungsstichwort (Thema)

Klageänderung gemäß § 264 Nr. 2 ZPO

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Kläger kann von der Feststellungsklage auf die Leistungsklage oder umgekehrt wechseln, wobei es sich um eine privilegierte Klageerweiterung bzw. -beschränkung im Sinne des § 264 Nr. 2 ZPO und nicht um eine Klageänderung gemäß § 263 ZPO handelt, wenn sich der neue Antrag - wie vorliegend - auf dasselbe Rechtsverhältnis bezieht

 

Normenkette

BGB § 826; ZPO §§ 263, 264 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 29.10.2020; Aktenzeichen 7 O 92/20)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers wird das am 29.10.2020 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 24.700,75 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 24.783,36 EUR seit dem 23.4.2021 Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Pkw Marke1 Modell1 (FIN: ...) zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage als unzulässig verworfen und die weitergehenden Berufungen werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 30.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 12.5.2015 von der Autohaus Y GmbH, Stadt1, einen Gebrauchtwagen Typ Marke1 Modell1, der mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet ist, der von der Beklagten hergestellt wurde. Der vereinbarte Kaufpreis betrug 27.475,- EUR. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Bestellung vom 12.5.2015 (Anlage K 50, Bl. 541 d.A.) verwiesen.

Der Motor wies eine besondere Vorrichtung zur Steuerung der Abgasrückführung auf, die erkannte, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt und auf die dabei entstehenden Schadstoffemissionen getestet wurde. In diesem Fall schaltete das System in einen Modus "1", der eine höhere Abgasrückführungsrate und damit verbunden einen geringeren Ausstoß an Stickoxiden bewirkte. Im normalen Straßenverkehr hingegen wurde das Fahrzeug im Modus "0" betrieben, in dem die Abgasrückführung geringer und der Stickoxidausstoß höher ausfiel. Die für die Zulassung des Fahrzeugs in der Schadstoffklasse Euro 5 einzuhaltenden Schadstoffwerte werden dadurch nur auf dem Prüfstand eingehalten. Die tatsächlichen Schadstoffwerte des Fahrzeugs im normalen Betrieb sind höher.

Am 22.9.2015 veröffentlichte die Beklagte eine Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 WpHG a.F., wonach bei weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen mit Motoren des Typs EA 189 eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt worden sei, sie mit Hochdruck daran arbeite, die Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu beseitigen und dazu in Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem Kraftfahrtbundesamt (KBA) stehe. Das KBA sah die genannte Software als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 an und verpflichtete die Beklagte mit Bescheid vom 15.10.2015, die Abschalteinrichtung zu "entfernen" und "geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftmäßigkeit zu ergreifen". Die Beklagte entwickelte daraufhin ein Software-Update, das das KBA als geeignet zur Herstellung der Vorschriftsmäßigkeit ansah. Das angebotene Softwareupdate wurde bei dem Fahrzeug des Klägers zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt - jedenfalls aber vor Klageerhebung im Dezember 2017 - aufgespielt.

Noch im Jahr 2018 meldete sich der Kläger zum Klageregister der Musterfeststellungsklage OLG Braunschweig, Az: ..., an (Anlage K 51, Bl. 572 f. d.A.), die am 30.4.2020 zurückgenommen wurde (Anlage K 52, Bl. 574 d.A.).

Der Kilometerstand des Fahrzeuges zum Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz (28.10.2020) betrug 34.426 km.

Mit der Klage hat der Kläger gegenüber der Beklagten die Feststellung der Verpflichtung zur Leistung von Schadenersatz der Beklagten für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs Marke1 Modell1 durch die Beklagte resultieren, begehrt.

Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Hinsichtlich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen und der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 816 - 817 d.A.) Bezug genommen.

Mit am 29.10.2020 verkündetem Urteil (Bl. 814 ff. d. A.) hat das Landgericht der Klage stattgegeben und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadenersatz zu leisten für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs Marke1 Modell1 (Fahrzeugidentifikationsnummer: ...) ...

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