Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang des Bekanntheitsschutzes einer Schokoladenriegelmarke
Leitsatz (amtlich)
1. Für den Bekanntheitsschutz einer Gemeinschaftsmarke (Art. 9 I c GMV) reicht es aus, wenn der hierfür erforderliche Bekanntheitsgrad nur im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erreicht wird; der Bekanntheitsschutz ist dann jedoch ebenfalls auf dieses Gebiet beschränkt.
2. Zwischen einer bekannten Marke und einem angegriffenen Zeichen kann ein (sehr geringer) Grad an Zeichenähnlichkeit bestehen, der zwar ungeachtet der erhöhten Kennzeichnungskraft der Marke und bestehender Warenidentität keine Verwechslungsgefahr begründet, jedoch einen Bekanntheitsschutz nach Art. 9 I c GMV eröffnet, soweit die weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind (im Streitfall bejaht).
Normenkette
GMV Art. 9 Abs. 1 lit. c
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 11.06.2014; Aktenzeichen 2-6 O 373/13) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 11.06.2014 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Frankfurt am Main teilweise abgeändert.
1.) Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren (Ordnungshaft zu vollstrecken an den Geschäftsführern der Beklagten), zu unterlassen, im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland selbst oder durch Dritte Schokoladen-Waffel-Produkte unter der Bezeichnung Twin Break anzubieten, in den Verkehr zu bringen, zu bewerben, einzuführen, auszuführen und/oder zu den genannten Zwecken zu besitzen, auch wenn dies wie in folgender Form geschieht:
a) (- "Es folgt ein Foto, das aus technischen Gründen nicht dargestellt werden kann".) ...
und/oder
...
b) (- "Es folgt ein Foto, das aus technischen Gründen nicht dargestellt werden kann.") ...
2.) Die Beklagte wird verurteilt, in die Löschung ihrer Deutsche Marke Nummer ... einzuwilligen, soweit diese für Kuchen, Schokolade, Schokoladewaren, Pralinen und Zuckerwaren eingetragen ist.
3.) Es wird festgestellt, dass die Beklagte hinsichtlich der begangenen Handlungen gemäß Ziffer 1. verpflichtet ist, der Klägerin den gesamten Schaden zu ersetzen, den dieser infolge dieser Handlungen erlitten hat und noch erleidet.
4.) Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin unter Vorlage einer geordneten Aufstellung Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über Art und Umfang ihrer vorstehend unter Ziffer 1. genannten Handlungen, und zwar unter Angabe der Menge der ausgelieferten oder bestellte Waren, aufgeschlüsselt nach Gebieten und Zeiten, des erzielten Netto-Umsatzes und Gewinns, wobei zur Berechnung des Gewinns von dem erzielten Netto-Umsatz lediglich diejenigen Kostenpositionen abzuziehen sind, die sich unmittelbar auf Herstellung, Einkauf, Lagerung, Versicherung und Vertrieb der konkret betroffenen Produkte und die diesbezügliche Werbung beziehen und insbesondere keinen Gemeinkostenanteil enthalten sowie unter Angabe der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, Verbreitungsgebieten und Vorbereitungszeiten.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu 1/4, die Beklagte zu 3/4 zu tragen.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000 EUR abwenden. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden.
Gründe
I. Wegen des Sach- und Streitstandes wird zunächst auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Die Klägerin begehrt Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung wegen Verletzung ihrer Marke "HAVE A BREAK" sowie Löschung der Marke "TWIN BREAK" der Beklagten.
Die Klägerin ist Teil der Unternehmensgruppe X, die Beklagte gehört zur Z Gruppe.
Zu den X-Produkten gehört der Waffel-/Schokoladenriegel "Kit Kat". Dieser wird in verschiedenen Varianten seit 1911 zunächst in England und seit Mitte der 70er Jahre in Deutschland vertrieben. Er befindet sich in einer roten Verpackung, die mit dem Slogan "Have a break, have a Kit Kat" versehen ist. Außerdem vertreibt die Klägerin in Deutschland Weihnachtsmänner und Osterhasen, die die Aufschrift "Have a Break" tragen. Sie ist Inhaberin einer Gemeinschaftsmarke "HAVE A BREAK", die am 30.08.2007 aufgrund Verkehrsdurchsetzung für Schokolade, Schokoladenwaren, Konditorwaren, Zuckerwaren und Biskuits eingetragen wurde. Dem voraus ging die Entscheidung Nestlé/Mars des EuGH vom 07.07.2005 (GRUR 2005, 763 [EuGH 07.07.2005 - C 353/03]), mit welcher der EuGH entschied, dass die Unterscheidungskraft einer Marke auch infolge der Benutzung dieser Marke als Teil oder in Verbindung mit einer eingetragenen Marke erworben werden könne.
Die Beklagte ist Inhaberin der beim Deu...