Leitsatz (amtlich)
Ergibt sich bei objektiver Würdigung der Gesamtumstände aus der Sicht eines vernünftigen und objektiv urteilenden Reisenden, dass der Reiseveranstalter eine Reiseleistung in eigener Verantwortung anbietet, so muss dieser sich daran festhalten lassen. Auf die Rolle eines Vermittlers kann er sich nur dann zurückziehen, wenn der Charakter als Fremdleistung, d.h. ihre Erbringung außerhalb des Organisations- und Verantwortungsbereichs des Veranstalters und damit außerhalb des normalen zur Reise zählenden Leistungsangebots, aus der Sicht eines durchschnittlichen Reisenden unmissverständlich klar ist.
Normenkette
BGB § 651
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 25.10.2005; Aktenzeichen 2-19 O 24/05) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 19. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. vom 25.10.2005 - 2-19 O 24/05, wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Kläger buchten bei der Beklagten für die Zeit vom 20. September bis 4.10.2004 eine Pauschalreise nach O1 für insgesamt 2.091 EUR. In ihrem Reiseprospekt wirbt die Beklagte für Ausflugsmöglichkeiten.
Dazu heißt es in der Einführung:
"Die Ausflüge werden von unserer Partner-Agentur A organisiert und durchgeführt und sind ausschließlich vor Ort buchbar. Detaillierte Auskünfte über das Ausflugsprogramm erhalten unsere Gäste im Verlauf der Begrüßung und der regelmäßig durchgeführten Sprechstunden in den Hotels von der örtlichen Reiseleitung. Im rechtlichen Sinne stellen diese Ausflüge ... für ... Fremdleistungen dar.". Außerdem ist auf der rechten Katalogseite unten in einem Kasten unter "Bitte beachten Sie folgendes" u.a. folgender Text enthalten: "Die Reiseleitung ist Ihnen gern bei der Buchung behilflich, ist jedoch lediglich Vermittler dieser Ausflugsprogramme. Die Verantwortung für Organisation und Durchführung trägt die örtliche Agentur A" (Bl. 48 d.A.). Ähnliche Hinweise befinden sich auch auf der Internetseite der Beklagten (Bl. 35 d.A.).
Vor Ort wurden die Kläger durch einen Werbezettel, den sie in der Begrüßungsmappe der Beklagte vorfanden, auf einen Ausflug nach O2 aufmerksam. Dieser Werbezettel (Bl. 59 d.A.) enthält am oberen Rand das Logo der Beklagten. Der Beschreibung des Ausflugs folgt in fetter Druckschrift die Angabe "Nur bei Ihrem ...-Reiseleiter buchbar". Darunter ist kleingedruckt am unteren Rand - wie bereits im Katalog - zu lesen, dass die ...-Reiseleitung gern bei der Buchung behilflich ist, jedoch lediglich Vermittler ist und die Verantwortung für Organisation und Durchführung die örtliche Agentur A trägt.
Die Kläger buchten bei dem örtlichen Reiseleiter, einem Mitarbeiter von A (im Weiteren: Fa. A), den Busausflug für den 28.9.2004 und zahlten den Preis von je 60 EUR bei ihm per Kreditkarte. Das Ausflugsticket (Bl. 54 d.A.) war sowohl mit dem Logo der Beklagten als auch der Fa. A versehen und enthielt ebenfalls den Hinweis auf die Verantwortung der Fa.A. Auf einer Außenseite des eingesetzten Reisebusses war in beherrschender Größe das Logo der Beklagten angebracht; außerdem wurde die Tour von der örtlichen Reiseleitung der Beklagten begleitet, welche ein T-Shirt mit dem Logo der Beklagten trug.
Auf der Rückfahrt fuhr der Reisebus mit überhöhter Geschwindigkeit und Standlicht auf einen stehenden Lkw auf, wobei ein Sicherheitsbeamter und der Busfahrer getötet wurden. Die Kläger erlitten Verletzungen, für die sie Schmerzensgeld verlangen. Außerdem begehren sie Schadensersatz wegen nutzlos aufgewandter Urlaubszeit und die Rückzahlung der Kosten für den Ausflug. Die Höhe der insoweit geltend gemachten Beträge ist zwischen den Parteien unstreitig.
Die Beklagte hat eingewandt, sie sei nicht passiv legitimiert, da der Ausflug bei der örtlichen Agentur gebucht worden sei und sie deutlich darauf hingewiesen habe, dass es sich um eine Fremdleistung handele.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 82-84 d.A.) Bezug genommen.
Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
Dabei ist es davon ausgegangen, dass der Ausflug Bestandteil des mit der Beklagten geschlossenen Pauschalreisevertrags gewesen sei, so dass die Beklagte für die daraus entstandenen Folgen einzustehen habe. Bei vor Ort gebuchten Zusatzleistungen komme es insoweit darauf an, wie das Reiseunternehmen bei objektiver Würdigung der Gesamtumstände aus der Sicht eines vernünftigen und objektiv urteilenden Reisenden auftrete. Für die Annahme einer Fremdleistung sei erforderlich, dass deren Erbringung außerhalb des Organisations- und Verantwortungsbereichs des Reiseunternehmens aus Sicht eines durchschnittli...