Entscheidungsstichwort (Thema)
Deliktische Haftung des Herstellers im Abgasskandal bei Gebrauchtwagenkauf nach Hinweis des Vertragshändlers auf Betroffenheit des PKW von dem sog. Abgasskandal
Leitsatz (amtlich)
Zur Darlegungs- und Beweislast des Käufers zu Nachteilen des Software-Updates, insbesondere in Form einer weiteren unzulässigen Abschalteinrichtung aufgrund eines vorhandenen Thermofensters
Normenkette
BGB § 826; EGV 715/2007; ZPO §§ 138, 263; EWGRL 220/70
Verfahrensgang
LG Hanau (Urteil vom 21.12.2018; Aktenzeichen 1 O 362/18) |
Tenor
Ein Rechtsmittel ist nicht bekannt geworden.
Die Berufung des Klägers gegen das am 21.12.2018 verkündete Urteil des Landgerichts Hanau (Az.: 1 O 362/18) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger hat nach dem Kauf eines Pkws gegen die Beklagte als Motorherstellerin deliktische Ansprüche geltend gemacht.
Der Kläger erwarb vom Autohaus X gemäß Rechnung vom 28.12.2015 einen gebrauchten VW Passat Variant 2,0 TD mit einem Kilometerstand von 117.851 km (EZ 10/2011) zum Preis von 17.430,00 EUR (Anlage K 3, Anlagenband). Ferner schloss er mit dem Autohaus einen Service-Management-Vertrag, der die Kosten für die Wartung und Inspektion des Fahrzeugs für die Dauer von 36 Monaten abdecken sollte. Der Preis wurde mit 0,00 EUR angegeben (Anlage K 12 = Bl. 256 ff. d.A.). Zur Finanzierung des Kaufpreises nahm der Kläger bei der Volkswagen Bank ein Darlehen über 20.206,00 EUR auf, auf das er ab 01.02.2016 monatliche Raten von 234,18 EUR sowie am 01.01.2020 eine Schlussrate in Höhe von 9.200,00 EUR leisten sollte (Anlage K 4, Anlagenband).
Das Fahrzeug, dessen Herstellerin die Beklagte ist, war mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet. Die Motorsteuerung des Motors war ursprünglich so programmiert, dass im Falle des Durchlaufens des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ), welcher Teil des Typgenehmigungsverfahrens ist, die Abgasrückführung in einen NOx-optimierten Betriebsmodus (Modus 1) versetzt wird, während sie außerhalb des NEFZ im Straßenverkehr im nicht NOx-optimierten Betriebsmodus (Modus 0) operiert. Im Modus 0 ist die Abgasrückführungsrate geringer.
Das Kraftfahrbundesamt (KBA) hatte mit Bescheid vom 15.10.2015 einen verpflichtenden Rückruf für sämtliche betroffene Fahrzeuge mit diesem Dieselmotor und zur Entfernung der Abschalteinrichtung angeordnet. Gleichzeitig hatte es in einer Presseerklärung öffentlich gemacht, dass es sich seiner Auffassung nach bei der verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele und der Beklagten auferlegt worden sei, geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit der betroffenen Fahrzeuge zu ergreifen.
Bereits am 22.09.2015 hatte die Beklagte eine Ad-hoc-Mitteilung gemäß § 15 WpHG veröffentlicht, in der sie auf Unregelmäßigkeiten der verwendeten Software hingewiesen hatte (Anlage B 9 = Bl. 165 f. d.A.). Es ist gerichtsbekannt, dass die Beklagte im Rahmen einer Presseerklärung vom selben Tag die Öffentlichkeit darüber informiert hatte, dass bei Fahrzeugen mit dem Motor EA 189 eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt worden sei. Auch die Vertragshändler und Servicepartner wurden hierüber in Kenntnis gesetzt. Im September 2015 hatte die Staatsanwaltschaft Braunschweig unter anderem wegen des Verdachts des Betruges Ermittlungen gegen die Beklagte eingeleitet. Anfang Oktober 2015 hatte die Beklagte außerdem eine Internetseite eingerichtet, auf der durch Eingabe der Fahrzeugidentifikationsnummer überprüft werden kann, ob das jeweilige Fahrzeug von dem Abgasskandal betroffen ist. Hierüber hatte die Beklagte am 02.10.2015 ihr Händlernetz informiert; in der Öffentlichkeit war hierüber ebenfalls breit berichtet worden.
Die Beklagte hatte ferner im Rahmen einer Presseerklärung vom 16.12.2015 mitgeteilt, dass die Fahrzeuge nach Durchführung des Updates die jeweils gültigen Abgasnormen erfüllen würden, mit dem Ziel, dies ohne Beeinträchtigung der Motorleistung, des Verbrauchs und der Fahrleistung zu erreichen. Der gesamte Abgasskandal ist seit September 2015 Gegenstand einer ausführlichen und umfangreichen Medienberichterstattung.
Mit Schreiben vom 19.05.2016 wurde der Kläger durch das Autohaus X GmbH & Co. KG darüber informiert, dass die Beklagte in den vergangenen Monaten in enger Abstimmung mit den zuständigen Behörden eine technische Lösung entwickelt habe und mit den ersten Umrüstungen bereits erfolgreich begonnen worden sei (Anlage K 11 = Bl. 255 d.A.).
Mit Bestätigung vom 21.07.2016 gab das KBA die zur Beseitigung entwickelte Maßnahme (Software-Update) für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp ...