Leitsatz (amtlich)

Schadenersatz für den Einsatz von Brustimplantaten mit Industriesilikon

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 09.11.2016; Aktenzeichen 4 O 106/16)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 9. November 2016 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das angefochtene und das Berufungsurteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des gegen sie aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin hat ursprünglich von der Beklagten die Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 45.000 EUR nebst Zinsen (Antrag zu 1) sowie Ersatz bereits entstandenen materiellen Schadens in Höhe von 6.350 EUR nebst Zinsen (Antrag zu 2) und die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für künftige materielle und immaterielle Schäden (Antrag zu 3) begehrt.

Der Klägerin wurden am 12.01.2004 in Stadt1 Brustimplantate des Typs Rofil (Anlage K 5, Bl. 54 d. A.) des Herstellers Poly Implant Prothese (nachfolgend: PIP) eingesetzt. PIP verwendete teilweise Industriesilikon anstelle des in den Produktunterlagen beschriebenen und zugelassenen Silikons des Herstellers NuSil.

Die Beklagte zu 1) war seit Oktober 1997 von der PIP u. a. mit der Konformitätsbewertung beauftragt gewesen, wobei sie im Jahr 2002 als sogenannte "benannte Stelle" i. S. d. Medizinproduktrichtlinie RL 93/42 EWG vom 14.06.1993 tätig wurde.

Das Bureau Central de Tarification verpflichtete den Anlagen B 8 und B 8a (Original und Übersetzung, beides Anlagenordner der Anlagen zur Klageerwiderung der Beklagten zu 2)) zufolge die Beklagte zu 2) dazu, mit Wirkung ab dem 17.02.2005 einen Versicherungsvertrag mit PIP abzuschließen. Die Beklagte zu 2) war seit 17.02.2005 Haftpflichtversicherer als Pflichtversicherer des Herstellers PIP. Der dem französischen Recht unterliegende Versicherungsvertrag enthielt eine territoriale Beschränkung des Versicherungsschutzes auf ausschließlich in Frankreich und den überseeischen französischen Gebieten eingetretene Schadensereignisse und war im Übrigen auf eine Deckungshöchstsumme begrenzt.

Die Klägerin hat behauptet, dass ihr im Jahr 2004 giftige Implantate (Bl. 7. d. A.) eingesetzt wurden. Sie habe große Angst, dass Giftstoffe bereits in ihren Körper gelangt sein könnten und sie durch diese Implantate an Krebs erkranken könne. Sie leide zumindest unter einer subjektiven Belastung. Sie hat behauptet, im Jahr 2014 von den Gefahren, die von den mit CE-Zeichen versehenen Implantaten der PIP ausgingen, erfahren zu haben. Die Klägerin hat einerseits behauptet, dass ihr die Austauschoperation bevorstehe (Bl. 7 d. A.), und dem widersprechend vorgetragen, dass die Austauschoperation bereits stattgefunden habe (Bl. 8, 25 d. A.), ohne Angabe dazu, wann diese stattgefunden haben soll. Sie hat linksseitige Beschwerden in Form von Hautrötungen und Schmerzen behauptet. Sie habe bereits erhebliche Mengen von Silikon ausgeschwitzt und schwitze Silikon weiter aus (Bl. 7 d. A.), weshalb ihr dringend zum Austausch der Implantate geraten worden sei.

Hinsichtlich einer Haftung der Beklagten zu 1) hat die Klägerin behauptet, dass die Beklagten zu 1) ihre Prüf- und Überwachungspflichten gemäß Anhang II der Medizinprodukterichtlinie 93/42 EWG nicht ordnungsgemäß erfüllt habe. Insbesondere habe die Beklagte zu 1) bei PIP keine unangekündigten Audits durchgeführt.

Hinsichtlich einer Haftung der Beklagten zu 2) hat sie vertreten, dass sich eine Haftung aus den Versicherungsbedingungen ergäbe und eine Haftung vorliegend nach materiellem französischem Recht aufgrund des rechtswidrigen Verhaltens des Herstellers PIP bestünde. Insoweit stünde ihr ein Direktanspruch folgend aus Art. L 124-3 i. V. m. L 112-6 des französischen "Code des assurances" gegen die Beklagte zu 2) zu. Die in den Versicherungsbedingungen beinhaltete Territorialitätsklausel sei unwirksam und stelle in Verbindung mit den französischen Regeln für Pflichtversicherte für Produktfehler eine - nach Art. 18 und Art. 34 AEUV (Bl. 18 ff. d. A.) unzulässige - mittelbare Diskriminierung deutscher Frauen gegenüber Opfern in Frankreich dar.

Die Beklagte zu 1) hat vertreten, dass zum Implantationszeitpunkt bei der Klägerin im Januar 2004 eine Prüfung der Produktauslegung anhand des Design Dossiers gemäß Anhang II.4 der Medizinproduktrichtlinie nicht erforderlich gewesen sei. Die Implantation bei der Klägerin sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, bevor die Richtlinie 2003/12/EG der Kommission vom 03.02.2003 zur Neuklassifizierung von Brustimplantaten im Rahmen der Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte für die Mitgliedsstaaten umzusetzen und anzuwenden war. Eine schuldhafte Pflichtverletzung ihrerseits habe die K...

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