Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerruf von Verbraucherdarlehensverträgen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage der Abweichung einer Widerrufsbelehrung von der Musterwiderrufsbelehrung.

2. Zur Frage der Berechnung der gegenseitigen Ansprüche bei einem widerrufenen Verbraucherdarlehensvertrag.

 

Normenkette

BGB §§ 346, 357, 355, 495

 

Verfahrensgang

LG Hanau (Urteil vom 20.10.2015; Aktenzeichen 4 O 585/15)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Hanau vom 20.10.2015 unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass der Kläger aufgrund des wirksamen Widerrufs vom 9.9.2014 aus dem Darlehensvertrag Darlehensnummer ... nur noch einen Betrag von 246.242,46 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5,49 % ab dem 3.5.2016 verlangen kann.

2. Der Beklagte wird verurteilt, der Löschung der zu ihren Gunsten eingetragenen Grundschuld in Höhe von 342.500,00 EUR auf dem Objekt Straße1 in Stadt1, Grundbuch von ... Blatt ... zuzustimmen Zug-um-Zug gegen Zahlung eines Betrages von 246.242,46 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5,49 % ab dem 3.5.2016.

3. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Kosten der anwaltlichen Vertretung in Höhe von 1.954,46 EUR zu zahlen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.

6. Das Urteil und das angefochtene Urteil im Umfang der Berufungszurückweisung sind vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des insoweit vollstreckbaren Betrages abzuwenden, falls nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

7. Die Revision wird nicht zugelassen.

8. Der Streitwert wird auch für die erste Instanz einheitlich auf 527.145,09 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des Widerrufs eines Darlehensvertrages.

Der Kläger schloss als Verbraucher mit der Beklagten am 21.06.2007 einen Darlehensvertrag (Darlehensnummer ...) zur Finanzierung einer Immobilie über ein Nominalbetrag in Höhe von 342.500,- EUR mit einem anfänglichen effektiven Jahreszins von 5,49 % und einer 10jährigen Festzinsschreibung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Darlehensvertrages wird auf dessen Kopie in den Anlage K 1 (Bl. 14 ff. d.A.) Bezug genommen. Das Darlehen wurde vereinbarungsgemäß mit einer Grundschuld über 342.500,- EUR auf der finanzierten Immobilie besichert. Der Darlehensvertrag enthielt folgende in einem eingerahmten Kasten stehende Widerrufsbelehrung:

————————————————————————————————

Widerrufsbelehrung zu1 Darlehen Nr ... vom 21.06.2007

Widerrufsrecht

Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen 2 ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an: (Name und ladungsfähige Anschrift des Kreditinstituts, ggf. Fax-Nr., E-Mail-Adresse und/oder, wenn der Verbraucher eine Bestätigung seiner Widerrufserklärung erhält, auch eine Internet-Adresse).

A Stadt2, Straße2, Stadt2

Email:... Internet-Adresse:...

Telefax:...

Widerrufsfolgen

Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben. Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten. Dies kann dazu führen, dass Sie die vertraglichen Zahlungsverpflichtungen für den Zeitraum bis zum Widerruf gleichwohl erfüllen müssen. Verpflichtungen zur Erstattung von Zahlungen müssen Sie innerhalb von 30 Tagen nach Absendung Ihrer Widerrufserklärung erfüllen.

Finanzierte Geschäfte

Widerrufen sie diesen Darlehensvertrag, mit dem sie ihre Verpflichtung aus einem anderen Vertrag finanzieren, so sind Sie auch an den anderen Vertrag nicht gebunden, wenn beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn wir zugleich auch ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrages sind, oder wenn wir uns bei Vorbereitung und Abschluss des Darlehensvertrages der Mitwirkung Ihres Vertragspartners bedienen. Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstückes oder grundstücksgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrages sind oder wenn wir über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinaus Ihr Grundstücksgeschäft durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördern, indem wir uns dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu eigen machen, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projektes Funktionen des Veräußerers übernehmen oder den Veräußerer einseitig begünstigen (...) ...

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