Leitsatz (amtlich)
1. Die Werbung mit der diagnostischen Nützlichkeit eines Bluttests ist irreführend, wenn die behauptete Wirkung den Eindruck wissenschaftlicher Unangefochtenheit erweckt, in Wahrheit aber umstritten und nicht hinreichend abgesichert ist.
2. Zur Darlegungs- und Beweislast.
Normenkette
HWG § 3; UWG §§ 3, 4 Nr. 11, § 5
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 15.02.2005; Aktenzeichen 18 O 6/05) |
Tenor
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 15.2.2005 verkündete Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des LG Darmstadt wird - soweit über sie nach teilweiser Rücknahme des Eilantrags (betreffend Ziff. 4, 7, 8, 10, 15, 16, 18 und 22 des Tenors des angefochtenen Urteils) noch zu entscheiden ist - zurückgewiesen.
Von den Kosten des Eilverfahrens haben der Antragsteller 1/3 und die Antragsgegnerin 2/3 zu tragen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Gründe
Von der Darstellung des Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a ZPO abgesehen.
Die Berufung der Antragsgegnerin hat, soweit das Berufungsverfahren nicht durch die teilweise Zurücknahme des Eilantrags seine Erledigung gefunden hat, in der Sache keinen Erfolg. Das LG hat insoweit einen Unterlassungsanspruch des Antragstellers gem. §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 3 Nr. 1 HWG und gem. §§ 8, 3, 5 Abs. 1, 2 Nr. 1 UWG mit Recht bejaht.
Die Antragsgegnerin hat für den Test "A" irreführend geworben, indem sie ihm diagnostische Wirkungen beigelegt hat, die er nicht aufweist.
Die Antragsgegnerin erweckt durch die beanstandete Werbung den Eindruck, durch die mit dem Bluttest mögliche Ermittlung von Immunglobulin-G-Antikörpern, die sich bestimmten Nahrungsmitteln zuordnen lassen, seien entsprechende Nahrungsmittelunverträglichkeiten nachzuweisen bzw. zu diagnostizieren. Hierbei verwendet die Antragsgegnerin den Begriff "Nahrungsmittelunverträglichkeit" im Sinne einer immunologischen Reaktion auf Nahrungsmittel, wobei sie die sog. "Typ-I-Reaktion" ausnimmt, die im Unterschied zu den "Typ-II-IV-Reaktionen" durch Immunglobulin-E-Antikörper vermittelt wird und die von der Antragsgegnerin als (klassische) Allergie bezeichnet wird. Auf die Behauptung, Nahrungsmittelunverträglichkeiten (in dem eben beschriebenen - engen - Sinne) könnten durch die Feststellung von Immunglobulin-G-Antikörpern im Blut diagnostiziert werden, baut die weitere Werbebehauptung auf, die durch den Test "A" gewonnenen Ergebnisse könnten einen sinnvollen Beitrag zur Gewichtsabnahme leisten.
Mit diesen Werbebehauptungen wendet sich die Antragsgegnerin - auch und in erster Linie - an medizinische Laien. Dabei behauptet sie eine weitgespannte generelle diagnostische Nützlichkeit des Tests "A". Der Test soll die Reaktion auf über 260 unterschiedliche Nahrungsmittelbestandteile erfassen und bei einer Vielzahl von weitverbreiteten Krankheits- und Beschwerdebildern hilfreich sein, die ausweislich der Aufstellung auf S. 2 der Werbebroschüre beispielsweise auch Kopfschmerzen, Augenrötung, trockene Haut, Völlegefühl, Gelenkschmerzen, Gefühlsschwankungen und Konzentrationsschwäche umfassen. Somit spricht die beanstandete Werbung nahezu jeden an. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, dass der Test nur durch Ärzte angewendet werden kann, so dass der im Einzelfall eingeschaltete Arzt die Möglichkeit hat, den Bluttest nur dann einzusetzen, wenn Symptome vorliegen, die unter Berücksichtigung der Anamnese tatsächlich auf eine durch Immunglobulin-G-Antikörper vermittelte Nahrungsmittelunverträglichkeit hindeuten. Die notwendige Einbeziehung eines Arztes rechtfertigt keine irreführende Werbung ggü. den (potentiellen) Patienten.
Eine generelle diagnostische Nützlichkeit, wie sie die Antragsgegnerin in ihrer Werbung und insb. auch in den vom Antragsteller nach teilweiser Antragsrücknahme noch beanstandeten Einzelaussagen behauptet, kommt dem Bluttest "A" nicht zu, wie anhand der für eine gesundheitsbezogene Werbung geltenden Anforderungen sogleich darzulegen sein wird. Die Frage, ob unter speziellen Bedingungen, wie etwa bei der Untersuchung auf bestimmte Krankheitsformen oder auch beim Vorliegen besonderer Voraussetzungen in der Person des Patienten eine diagnostische Nützlichkeit bejaht werden kann, ist hingegen nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Für gesundheitsbezogene Wirksamkeitsbehauptungen gelten strenge Maßstäbe, die sich auch auf die Beweislastverteilung auswirken. Insbesondere liegt eine Irreführung i.S.v. § 3 Nr. 1 HWG bereits dann vor, wenn Heilmitteln (einschließlich Diagnosemitteln) Wirkungen beigelegt werden, die nicht hinreichend gesichert sind. Eine Heilmittelwerbung, die bei den angesprochenen Verkehrskreisen den Eindruck der wissenschaftlichen Unangefochtenheit erweckt, ist schon dann irreführend, wenn die behauptete Wirkung in Wahrheit umstritten und nicht nachgewiesen bzw. hinreichend abgesichert ist. In dem Streit über die tatsächlichen Wirkungen beworbener Heilmittel liegt die Beweislast zwar zunächst bei dem Kläger. Trägt aber der Kläger das Fehlen einer wissenschaftlichen Grundlage ...