Entscheidungsstichwort (Thema)
Unlautere geschäftliche Handlung: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bei einer englischsprachigen Internet-Pressemitteilung mit voreingestellter deutscher Website; "Konnexität" für eine Widerklage bei anderer einschlägiger Zuständigkeitsregelung; Herabsetzung eines Mitbewerbers durch kritisierende Werturteile; EU-Preisinformationspflicht: Verbindlichkeit für einen Flugreisevermittler; erstmalige Nennung der Vermittlungsgebühr
Leitsatz (amtlich)
1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist nicht gegeben, wenn die beanstandete Aussage in englischer Sprache auf der für England bestimmten Unterseite eines Internetauftritts veröffentlicht worden ist und sich in diesem Internetauftritt auch eine für Deutschland bestimmte deutschsprachige Unterseite befindet; dies gilt selbst dann, wenn die Aussage einen inhaltlichen Bezug zur in Deutschland ansässigen Klägerin hat.
2. Die "Konnexität" i.S.v. § 33 I ZPO begründet lediglich einen besonderen Gerichtsstand und stellt keine allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Widerklage dar; sie ist daher entbehrlich, wenn sich die örtliche Zuständigkeit für die Widerklage bereits aus anderen Vorschriften ergibt.
3. In einer Presseerklärung abgegebene kritisierende Werturteile über einen Mitbewerber stellen eine unlautere Herabsetzung dar, wenn sie nach dem Kontext einen falschen Eindruck über die Hintergründe erwecken oder unklar bleibt, auf welcher konkreten Tatsachengrundlage die Bewertung beruht.
4. Die Verpflichtung zur Angabe des Endpreises für Flugdienste (Art. 23 EU-LuftverkehrsdiensteVO) trifft auch den Vermittler von Flugdiensten, der in den Endpreis die an ihn zu zahlende Vermittlungsgebühr einbeziehen muss; der Endpreis unter Einschluss dieser Gebühr muss bereits bei der erstmaligen Nennung des Flugpreises für eine bestimmte Verbindung genannt werden.
Normenkette
EGV 44/2001 Art. 5 Nr. 3; ZPO § 33 Abs. 1; UWG § 4 Nrn. 7, 11, § 14 Abs. 2 S. 1; EGV 1008/2008 Art. 23 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 18.05.2011) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18.5.2011 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. - berichtigt durch Beschl. v. 12.7.2011 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
I.1. Der Beklagten wird es verboten, im Wettbewerb handelnd folgende Aussagen in der Öffentlichkeit zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:
a) Die Website der A GmbH ist eine rechtswidrige Mittler-Website und/oder
b) die A GmbH verkauft B-Tickets zu überhöhten Preisen und/oder
c) die A GmbH verkauft B-Tickets überteuert weiter und/oder
d) die A GmbH verkauft B-Flüge mit ungerechtfertigten Aufschlägen,
wenn dies geschieht wie in Anlage K 15 zur Klageschrift.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Zeitraum sie die unter Ziff. 1. genannten Äußerungen veröffentlicht hat, wo und auf welche Weise sie die vorgenannten Äußerungen veröffentlicht hat und wem gegenüber sie die vorgenannten Veröffentlichungen getroffen hat.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin die Schäden, die der Klägerin durch die unter 1. genannten Äußerungen entstanden sind bzw. noch entstehen werden, zu ersetzen hat.
II. Die Klägerin wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollstrecken an ihren Geschäftsführer, zu unterlassen,
im Wettbewerb handelnd für Flugreisen betreffend Linienflüge von einem Flughafen in der Europäischen Union in der Form zu werben und derartige Flugreisen in Form der Buchung anzubieten, dass der Endpreis für derartige Flugreisen nicht von Beginn des Buchungsprozesses an, d.h. bei der ersten Ausweisung des für die Flugpreise zu entrichtenden Preises auf Grund einer entsprechenden Suchanfrage des Kunden - so wie dies aus dem nachfolgend als Anlage A beigefügten Screenshot "Flugangebote aus Suchergebnissen" der Internetseite www .... de ersichtlich wird - auch die Gebühr enthält, die die Klägerin gegenüber den bei ihr buchenden Kunden erhebt.
Die weiter gehende Klage wird als unzulässig abgewiesen. Die Berufung der Klägerin wird in vollem Umfang, die Berufung der Beklagten wird im Übrigen zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120.000 EUR abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Die Klägerin ist eine unter der Internet-Domain www...de tätige Reisevermittlerin. Die Beklagte ist eine bekannte europäische Fluggesellschaft mit Sitz in O1,... Die Parteien werfen sich gegenseitig wettbewerbswidriges Verhalten im Zusammenhang mit der Veröffentlichung ei...