Leitsatz (amtlich)
VW-Dieselskandal: Vorteilsausgleich bei Schadenersatz wegen sittenwidriger Schädigung
Normenkette
BGB § 826
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 10.09.2019; Aktenzeichen 1 O 360/18) |
Tenor
Auf die Berufungen der Parteien wird das am 10.9.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Wiesbaden (Aktenzeichen 1 O 360/18) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.225,43 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.3.2019 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs Volkswagen Caddy, Fahrzeugidentifikationsnummer ..., nebst Fahrzeugschlüsseln.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, den Kläger gegenüber seinen Prozessbevollmächtigten von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 808,13 EUR freizustellen.
Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen. Die Berufungen der Parteien werden im Übrigen zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 71 % und die Beklagte 29 % zu tragen.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 28.352,85 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger erwarb im Jahre 2011 als Neuwagen ein Fahrzeug vom Typ Caddy, dessen Herstellerin die Beklagte ist, zu einem Kaufpreis von 25.852,85 EUR. In das Fahrzeug verbaut ist ein Dieselmotor des Typs EA 189. Der Kläger ließ im Sommer 2016 das von der Beklagten entwickelte Softwareupdate und eine damit verbundene technische Maßnahme umsetzen, beklagt jedoch einen messbaren Kraftstoffmehrverbrauch nach dem Softwareupdate und dass es nicht absehbar sei, welche weiteren Schäden ihm infolge des Software-Updates noch entstehen würden. Er fühlt sich geschädigt und möchte das Fahrzeug zurückgeben.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Zu ergänzen ist, dass sich die Fahrleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs im Zeitpunkt der mündlichen Senatsverhandlung auf unstreitig 204.551 km belief.
Das Landgericht Wiesbaden hat dem Kläger unter dem Gesichtspunkt einer von der Beklagten begangenen vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung Schadensersatz zugesprochen, allerdings unter Anrechnung eines Nutzungsvorteils, den es nach der bekannten linearen Formel berechnet hat aufgrund einer zu erwartenden Gesamtfahrleistung von 250.000 km. Es hat die Klage im Wesentlichen abgewiesen im Hinblick auf die klägerischen Feststellungsanträge betr. Annahmeverzug und weiteren Schadensersatz.
Beide Parteien haben gegen dieses Urteil Berufung eingelegt.
Die Beklagte ist der Auffassung, eine Haftung aus unerlaubter Handlung sei nicht gegeben. Sie stellt das Vorliegen aller haftungsbegründenden Tatbestandsmerkmale infrage und begründet dies eingehend. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung der Beklagten vom 18.12.2019 verwiesen (Blatt 280-313 der Akten).
Die Beklagte beantragt,
1) das am 10.9.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Wiesbaden, Az.1 O 360/18, im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen;
2) die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
1) die Beklagte zu verurteilen,
1. an die Klagepartei 25.852,85 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 11.7.2011 bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit (22.3.2019) sowie Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen
[hilfsweise: abzüglich einer Nutzungsentschädigung in EUR pro gefahrenen km seit dem 11.7.2011, die sich nach folgender Formel berechnet:
(25.852,85 EUR × gefahrene Kilometer): 500.000 km],
Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeuges Volkswagen Caddy 2.0l TDI, Fahrzeug-Identifizierungssystem (FIN) ..., nebst Fahrzeugschlüssel;
2. den Kläger von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.100,51 EUR freizuhalten,
3. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Pkw Volkswagen Caddy 2.0l TDI, Fahrzeug-Identifizierung Nr. (FIN) ..., in Annahmeverzug befindet;
4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger Schadensersatz zu zahlen für Schäden, die aus der Ausstattung des Fahrzeugs Volkswagen Caddy 2.0l TDI, Fahrzeug-Identifizierung Nr. (FIN) ..., mit illegaler Motorsoftware resultieren.
2) die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger hält insbesondere einen Vorteilsausgleich für ungerechtfertigt, jedenfalls sei ein solcher auf der Basis einer zu erwartenden Gesamtfahrleistung von 500.000 km zu berechnen.
II. 1) Die Berufung der Beklagten ist im Wesentlichen unbegründet. Die Beklagte haftet dem Kläger aus vorsätzlicher sitten...