Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Anwalts wegen fehlerhafter Prozessführung (hier: Verstoß gegen die Pflicht zum ausreichenden Prozessvortrag)
Normenkette
BGB §§ 280, 611, 675
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 21.03.2013; Aktenzeichen 2-5 O 322/12) |
Tenor
Das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21.03.2013 (Aktenzeichen 2-05 O 322/12) wird abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 74.297,29 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 62.270,98 EUR seit 21.07.2005 sowie aus 12.026,31 EUR seit 09.10.2012 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Klägerin 46 % und der Beklagte 54 %.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht zuvor die jeweils andere Partei Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 138.319,71 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin verfolgt mit der Berufung gegen den als Rechtsanwalt tätigen Beklagten den erstinstanzlich geltend gemachten Anspruch auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Prozessführung weiter.
Der Beklagte war Prozessbevollmächtigter der Klägerin in einem Vorprozess, in dem die Klägerin wegen bei der Verschiffung im Frühjahr 2004 von Stadt1/USA nach Stadt2/Frankreich aufgetretenen Schäden an zwei Maschinen - einer Drehmaschine und einer Fräse - den beauftragten Fixkostenspediteur A GmbH auf Schadensersatz in Höhe von 130.057,74 EUR (versicherter Wert der Maschinen von 74.000,- EUR + 53.500,- EUR + schadensbedingte Untersuchungskosten von 862,05 EUR und 1.695,69 EUR) in Anspruch nahm.
In der für die Klägerin beim Landgericht Frankfurt am Main (Az. 3-14 O 92/05) eingereichten Klageschrift (Anlage K 1, Bl. 9 ff. d. A.) trug der Beklagte im Vorprozess vor, zwischen der Klägerin und der A GmbH sei die Eindeckung des Transports mit einer Allgefahrenversicherung (im Folgenden: All-Risk-Versicherung) durch die A GmbH zugunsten der Klägerin vereinbart worden. Dazu legte der Beklagte eine Email der A GmbH an die Klägerin vom 28.01.2004 (Bl. 14 d. A.) vor mit folgendem Inhalt:
"(...) hier nun die restlichen Informationen bzgl. der Verschiffungen: (...)
Die Versicherungsprämie beträgt US$ 0,60 per US$ 100,00 vom Wert.
Deckung ALL RISK Haus/Haus. (...)"
Die bei Abschluss einer All-Risk-Versicherung regelmäßig einbezogenen Versicherungsbedingungen sind die Institute Cargo Clauses A (im Folgenden: ICC A). Die ICC A (beglaubigte Übersetzung Bl. 448 d. A.) enthalten unter Ziff. 4.3 folgenden Risikoausschluss:
"4.3 Verluste, Schäden oder Unkosten, die durch ungenügende oder ungeeignete Verpackung oder Vorbereitung des versicherten Gegenstands verursacht wurden (für die Zwecke dieser Klausel beinhaltet der Begriff 'Verpackung' das Verstauen in einem Container oder Transportbehälter, aber nur dann, wenn eine solche Verstauung (...) durch die Versicherungsnehmerin oder deren Erfüllungsgehilfen durchgeführt wurde);"
In der Klageerwiderung (Anlage K 3, Bl. 15 ff. d. A.) bestritt die A GmbH den Vortrag zum Versicherungsabschluss und behauptete, es sei lediglich die Eindeckung mit einer Strandungsfallversicherung unter Geltung der Versicherungsbedingungen Institute Cargo Clauses C (im Folgenden ICC C) vereinbart gewesen auf Grundlage eines der Klägerin mit Email vom 29.01.2004 zugegangenen Angebots. Dazu legte die A GmbH die Email vom 29.01.2004 vor mit dem Inhalt: "anliegend finden Sie die Versicherungsbedingungen zu ihrer Information (...)", wobei der Email die ICC C angehängt waren.
Mit im Vorprozess weiterhin vorgelegter Email vom 03.02.2004 (Anlage B 5, Bl. 117 d. A.) kündigte die A GmbH an, die Versicherung jetzt "zu den Ihnen bekannten Konditionen zu 110% des Rechnungsbetrags" einzudecken.
Nach der zur Deklaration des versicherten Werts durch die Klägerin angesichts der unternehmensinternen Verschiffung lediglich pro Forma erstellten Rechnung "Pro Forma Invoice" (Anlage BK 3, Bl. 312 d. A.) betrug der zu versichernde Wert der verschifften Maschinen insgesamt 210.000,- EUR (Fräsmaschine 74.000,- EUR + Drehmaschine 53.500,- EUR sowie weitere Maschinen).
Die A GmbH schloss daraufhin am 12.02.2004 mit einem versicherten Wert von 216.150,- US$ eine Strandungsfallversicherung bei der Versicherungsgesellschaft "X" ab. Der im Vorprozess vorgelegte Versicherungsschein (Anlage K 12, Bl. 67 f. d. A.) nimmt zunächst auf die ICC A Bezug, führt dann aber unter "Additional space for (...) insured reference" die "C Clauses" auf.
Mit Rechnung vom 04.03.2004 (Anlage K 10, Bl. 61 d. A.) stellte die A GmbH der Klägerin für "Insurance Premium Incl. Arrangement ETC" 1.296,90 US$ in Rechnung, entsprechend 0,60 US$ pro 100,- US$ des versicherten Werts von 216.150,- US$.
Zwischen der Klägerin und der A GmbH im Vorprozess unstreitig verlud...