Entscheidungsstichwort (Thema)

Überprüfung der Annahme der funktionellen Zuständigkeit in der Berufung; Voraussetzung für wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz ("Steckdübel III")

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Berufung kann wegen § 513 II ZPO grundsätzlich nicht darauf gestützt werden, dass die Zivilkammer ihre funktionelle Zuständigkeit zu Unrecht angenommen habe; etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn die Bejahung der Zuständigkeit objektiv willkürlich war (im Streitfall verneint).

2. Die wettbewerbliche Eigenart eines Erzeugnisses kann nachträglich dadurch eine Einschränkung erfahren, dass der Hersteller einem Mitbewerber gestattet, ein die wettbewerbliche Eigenart des Originalerzeugnisses mitbestimmendes Merkmal (hier: Exzenterzähne eines Steckdübels) in identischer Form in einem Konkurrenzerzeugnis zu verwenden mit der Folge, dass dieses Merkmal seine herkunftshinweisende Funktion verliert. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass das Konkurrenzerzeugnis sich bereits in großem Umfang auf dem Markt befindet (Fortsetzung der Senatsrechtsprechung; vgl. Urteil vom 4.10.2018 - 6 U 179/17).

 

Normenkette

UWG § 4 Nr. 3; ZPO § 513 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 21.03.2018; Aktenzeichen 2-6 O 98/18)

 

Tenor

1.) Die Berufung der Antragsgegner gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 21.03.2018 wird zurückgewiesen.

2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Antragsgegner.

3.) Das Urteil ist rechtskräftig.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren um Ansprüche aus ergänzendem Leistungsschutz im Zusammenhang mit angeblich nachgeahmten Stecktechnikprodukten.

Die in Österreich geschäftsansässige Antragstellerin stellt her und vertreibt seit mehr als 30 Jahren so genannte Stecktechnikprodukte. Diese dienen der Befestigung von Kunststoffrohren und Leitungen für die Elektroinstallation und können mittels einer besonderen Stecktechnik ohne weitere Hilfsmittel unmittelbar in einem Bohrloch verankert werden. Diese Art der Befestigung wird durch besonders geformte Spreizelemente - sogenannte Exzenterzähne - an der Außenseite der Steckelemente ermöglicht, die bis zum Jahr 2004 durch ein Patent geschützt waren. Zum Stecktechniksortiment der Antragstellerin zählen unter anderem Klemmschellen und Doppelsteckschellen.

Die Antragsgegnerin zu 1.) - deren Geschäftsführer der Antragsgegner zu 2.) ist - war bis Ende des Jahres 2009 exklusive Vertriebspartnerin der Antragstellerin in Deutschland. Spätestens im September 2009 begann die Antragsgegnerin zu 1.) mit der eigenen Fertigung von Stecktechnikprodukten, deren Vertrieb sie im Jahr 2010 aufnahm.

In einem vorausgegangenen Rechtsstreit vor dem Landgericht Frankfurt (2-06 O 591/10), dem Senat (6 U 204/11) und dem Bundesgerichtshof (BGH GRUR 2015, 909 [BGH 22.01.2015 - I ZR 107/13] - Exzenterzähne) stritten die Parteien um die erste und zweite Generation der Stecktechnikprodukte der Antragsgegnerin. Mit dem vorliegenden Verfügungsverfahren nimmt die Antragstellerin die Antragsgegner wegen der dritten Generation von Stecktechnikprodukten auf Unterlassung in Anspruch.

Die Produkte der Antragstellerin und die (modifizierten) Produkte der Antragsgegnerin zu 1.) sind auf den nachfolgenden Abbildungen dargestellt:

Antragstellerin:

Antragsgegnerin zu 1 (Anlage A):

((Abbildungen))

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 08.03.2018 den Antragsgegnern im Wege der einstweiligen Verfügung das Angebot und den Vertrieb der streitgegenständlichen Stecktechnikprodukte untersagt. Mit Urteil vom 21.03.2018, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge Bezug genommen wird (§ 540 I, 1 ZPO), hat das Landgericht die einstweilige Verfügung bestätigt.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragsgegner.

II. Die zulässige Berufung erweist sich als unbegründet. Das Landgericht hat die Antragsgegner zu Recht zur Unterlassung verurteilt. Die von der Antragsgegnerin zu 1.) angebotenen Stecktechnikprodukte weisen eine wettbewerbliche Eigenart auf, die nicht durch Wettbewerbsprodukte geschwächt worden ist. Da auch die Produkte der dritten Generation eine hohe Ähnlichkeit aufweisen, liegt eine fast identische Übernahme vor. Die Übernahme ist auch unlauter, da sie eine vermeidbare Herkunftstäuschung auslöst.

1) Soweit die Antragsgegner mit der Berufung rügen, die Zivilkammer des Landgerichts habe zu Unrecht ihre funktionelle Zuständigkeit bejaht, hat dieser Einwand nach § 513 II ZPO unberücksichtigt zu bleiben.

a) Die Berufung kann nach § 513 II ZPO nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine örtliche, sachliche oder auch funktionelle Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Ob dies entgegen dem Wortlaut im Berufungsverfahren ausnahmsweise doch überprüfbar ist, wenn das erstinstanzliche Gericht die Zuständigkeit willkürlich angenommen und damit den Beklagten seinem gesetzlichen Richter entzogen hat, ist umstritten (bejahend OLG Oldenburg, NJW-RR 1999, 865

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