Entscheidungsstichwort (Thema)

Entfernung eines Beitrags über Ermittlungsverfahren aus Online-Archiv

 

Normenkette

BGB §§ 823, 1004; GG Art. 1-2

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 17.10.2019; Aktenzeichen 2-03 O 452/18)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 28.09.2021; Aktenzeichen VI ZR 1228/20)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 17. Oktober 2019, Az. 2-03 O 452/18, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte hinsichtlich der Rechtsverfolgungskosten (Tenor des Landgerichts zu Ziff. II) verurteilt wird, Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB zu tragen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,- EUR, im Übrigen in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für die Berufung wird auf 15.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Entfernung einer von dem Kläger verfassten und von der Rechtsvorgängerin der Beklagten mit einem "Redaktionsschwanz" veröffentlichten Gegendarstellung aus einem Online-Archiv.

Am 15. Januar 2016 veröffentlichte die X GmbH & Co. KG auf ihrer nunmehr von der Beklagten betriebenen Internetseite www.(...).de einen den Kläger identifizierenden Artikel, in welchem über ein gegen ihn geführtes Ermittlungsverfahren berichtet wurde. Dabei wurde auch behauptet, gegen den Kläger werde wegen des Verdachts der (...) ermittelt und er habe einen Großteil der Taten gestanden. Auf Verlangen des Klägers veröffentlichte die X GmbH & Co. KG am 24. Januar 2016 auf www.(...).de eine Gegendarstellung, in der der Kläger unter Angabe der URL des Beitrags die entsprechenden Behauptungen wiedergab und sie als unwahr bezeichnete. Die X GmbH & Co. KG fügte der Gegendarstellung den Zusatz "Anmerkung der Redaktion: (...) hat recht." bei.

Während der Artikel vom 15. Januar 2016 nicht mehr im Internet verfügbar ist, ist die Gegendarstellung bis heute aufrufbar.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 77 ff d.A.) Bezug genommen.

Zu ergänzen ist, dass gegen den Kläger im November 2017 ein rechtskräftiger Strafbefehl wegen (...) erging. Soweit er sich auch gegen die Berichterstattung vom 15. Januar 2016 im Übrigen gewehrt hat, hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 12. November 2019 (Az. ...) über die Frage der Zulässigkeit der Berichterstattung entschieden.

Das Landgericht hat der Klage aus §§ 823, 1004 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG stattgegeben.

Zur Begründung hat es ausgeführt, das Persönlichkeitsrecht des Klägers sei durch die angegriffene Gegendarstellung betroffen. Die weitere Vorhaltung der Gegendarstellung greife in unzulässiger Weise in das Persönlichkeitsrecht des Klägers ein. Bei der gebotenen Abwägung der beiderseitigen Interessen überwögen die Interessen des Klägers.

Die Gegendarstellung sei allein auf das Betreiben des Klägers hin veröffentlicht worden. Der Kläger habe damit auf die Berichterstattung der Beklagten unter Wahrnehmung der ihm nach § 56 Abs. 1 RStV zustehenden Rechte reagiert.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe, nachdem die Kammer ihr die entsprechenden Äußerungen untersagte, eine Abschlusserklärung abgegeben und halte den Artikel mit den streitgegenständlichen Behauptungen seit längerer Zeit nicht mehr abrufbar.

Hinsichtlich der in der Gegendarstellung in Bezug genommenen Berichterstattung habe die Kammer - bestätigt durch das Oberlandesgericht - entschieden, dass die darin erfolgte Identifizierung des Klägers im Zusammenhang mit dem Vorwurf des (...) unzulässig in dessen Rechte eingegriffen habe.

Das Recht auf Gegendarstellung solle dem Schutz des Betroffenen dienen und dürfe nicht zu seinen Lasten wirken.

Die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Gegendarstellung aufgrund ihrer Anmerkung "(...) hat recht" als eigene Äußerung Schutz verdiene. Die Beklagte habe dem Gebot nach § 56 Abs. 1 S. 5 RStV zuwider gehandelt, dass eine Glossierung der Gegendarstellung nicht unmittelbar mit der Gegendarstellung verknüpft werden dürfe.

Gegen den Kläger sei zwar ein Ermittlungsverfahren geführt worden und ein rechtskräftiger Strafbefehl ergangen. Dieser erfasse aber nicht die in der Gegendarstellung angegriffenen Behauptungen.

Zu Gunsten der Beklagten wirke ferner, dass die Gegendarstellung nur durch Eingabe der URL bzw. durch eine Suche auf der Webseite der Beklagten abrufbar sei.

Soweit sich die Beklagte auf die Rechtsprechung zu Online-Archiven berufe, sei einzustellen, dass es im vorliegenden Rechtsstreit gerade nicht um eine Altmitteilung der Beklagten gehe. Diese Altmitteilung, der ursprüngliche Bericht, sei im Online-Archiv bereits seit Jahren nicht mehr enthalten. Es gehe nicht um eine Berichterstattung über eine erfolgte Verurteilung, sondern um konkrete Äußerungen, deren Unwahrheit die Beklagte nicht mehr angreife.

Die Beklagte könne sich auch ...

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