Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersatzaussonderung von Zubehörgegenständen in der Insolvenz
Leitsatz (amtlich)
1. Zu insolvenzrechtlichen Problemen bei einer Aufspaltung in Besitz- und Betriebsgesellschaft, wenn derselbe Insolvenzverwalter sowohl für die Besitzgesellschaft als auch für die Betriebsgesellschaft bestellt wird.
2. Die Insolvenzmasse der Betriebsgesellschaft haftet in Form einer Masseschuld auf Schadensersatz, wenn der für die Besitz- und die Betriebsgesellschaft bestellte gemeinsame Insolvenzverwalter in seiner letzteren Eigenschaft Zubehörstücke von einem mit einer Grundschuld belasteten Betriebsgrundstück den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft zuwider entfernt.
3. Dementsprechend haftet die Insolvenzmasse der Besitzgesellschaft in Form einer Masseschuld auf Schadensersatz, wenn der für die Besitz- und die Betriebsgesellschaft bestellte gemeinsame Insolvenzverwalter in seiner letzteren Eigenschaft Zubehörstücke von einem mit einer Grundschuld belasteten Betriebsgrundstück den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft zuwider entfernt, ohne dafür zu sorgen, dass der Erlös der Insolvenzmasse der Besitzgesellschaft zur Befriedigung des Grundschuldgläubigers zugeführt wird.
4. Der Gläubiger einer auf dem einer Besitzgesellschaft gehörenden Betriebsgrundstück lastenden Grundschuld kann im Insolvenzverfahren der Betriebsgesellschaft Ersatzaussonderung des Erlöses verlangen, wenn der Insolvenzverwalter für die Grundschuld haftende Zubehörteile für die Betriebsgesellschaft in Anspruch nimmt und veräußert.
5. Wird ein Unternehmen in eine Besitzgesellschaft und eine Betriebsgesellschaft aufgeteilt, wird die Haftung von Zubehörteilen des mit einer Grundschuld belasteten Betriebsgrundstücks nicht dadurch aufgehoben, dass diese Zubehörteile von der Besitzgesellschaft an die Betriebsgesellschaft veräußert oder vermietet werden oder bei der Aufspaltung von vornherein bei der Betriebsgesellschaft verbleiben.
6. Eine endgültige (teilweise) Betriebsstilllegung, die zur Veräußerung von Betriebsgegenständen führt, stellt keine Maßnahme ordnungsmäßiger Wirtschaftsführung, sondern eine Maßnahme der Vermögensverwertung dar.
Verfahrensgang
LG Hanau (Urteil vom 26.01.2000; Aktenzeichen 4 O 1134/99) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Hanau vom 26.1.2000 – 4 O 1134/99 – abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 790.559,46 DM zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Klägerin ein Masseanspruch nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO i.H.v. weiteren 488.058,84 DM nebst 7,65 % Zinsen aus 1.278.616,30 DM seit dem 11.11.1999 zusteht.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weiter gehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 32 % und der Beklagte 68 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf eine Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 15.000 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 850.000 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die von ihm zu leistende Sicherheit auch durch selbstschuldnerische, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts zu erbringen.
Beschwer für beide Parteien: über 60.000 DM.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den Beklagten als Konkursverwalter auf Auskehrung des Erlöses für veräußerte Maschinen und Gerätschaften in Anspruch.
Die Klägerin gewährte der Firma Fr. B. F. V. GmbH (kurz: FBF oder Betriebsgesellschaft) mit Sitz in Frankfurt am Main im Jahre 1989 mehrere Darlehen. Zu deren Sicherung wurden zugunsten der Klägerin auf dem Betriebsgelände der Firma FBF in Kl.-Kr. zwei Grundschulden über 1.500.000 DM und 6.500.000 DM eingetragen (Bl. 17–22 d.A.).
Im September 1993 wurde die Firma FBF Grundbesitz GmbH & Co KG (kurz: FBF-Grundbesitz oder Besitzgesellschaft) mit Sitz in H. gegründet; die Firma FBF wurde Kommanditistin, die ebenfalls neu gegründete Firma FBF Grundbesitz-Beteiligungs GmbH (kurz: FBF-G-B) Komplementärin. Als Einlage übertrug die Firma FBF ihren Grundbesitz in Kl.-Kr. auf die Firma FBF-Grundbesitz, diese übernahm die dinglichen Belastungen (Bl. 23–30 d.A.). Gleichzeitig schloss die Besitzgesellschaft mit der Firma FBF einen Mietvertrag über die Betriebsräumlichkeiten, da die Betriebsgesellschaft dort die Produktion fortführen sollten.
Mit Schreiben vom 22.2.1994 (Bl. 31–32 d.A.) kündigte die Klägerin die Kredite und die Grundschulden ggü. der Betriebsgesellschaft. Danach wandte sie sich wegen der ihren Grundschulden unterliegenden Zubehörgegenstände mehrfach an den Beklagten.
Bereits am 31.3.1994 wurde über das Vermögen der Betriebsgesellschaft das Konkursverfahren eröffnet (Bl. 15 d.A.). Am 20.5.1994 folgte die Eröffnung von Kon...