Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungsansprüche des Abschlussprüfers in der Insolvenz
Leitsatz (amtlich)
Vergütungsansprüche des noch von der Insolvenzschuldnerin bestellten Abschlussprüfers, die sich auf vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachte Tätigkeiten beziehen, sind auch dann keine Masseverbindlichkeiten, wenn die Prüfung erst nach der Insolvenzeröffnung abgeschlossen wird.
Normenkette
InsO §§ 55, 155
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 10.03.2020; Aktenzeichen 2-14 O 226/18) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10.03.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main - 5. Zivilkammer - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Beklagten hinsichtlich des Zinsanspruchs teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 57.120,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vom 02.10.2014 bis zum 04.04.2017 und seit dem 03.05.2018 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf eine Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe des 1,1-fachen des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des 1,1-fachen des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Stadtwerke Stadt1 AG (im Folgenden: Schuldnerin) Ansprüche aus Insolvenzanfechtung geltend.
Die Beklagte war mit der Prüfung der Jahres- und Konzernabschlüsse sowie der Lage- und Konzernberichte der Schuldnerin für die Jahre 2012 und 2013 beauftragt. Der Tätigkeit der Beklagten lagen Auftragsbestätigungsschreiben der Beklagten vom 14.12.2012 (Anlage B 35) und vom 17.01.2014 (Anlage B 37) zugrunde, die eine Honorierung der Leistungen der Beklagten nach dem anfallenden Zeitaufwand sowie jeweils bestimmte pauschale Abschlagszahlungen der Schuldnerin und eine Restzahlung nach Abschluss der Arbeiten vorsahen. Die Auftragsbestätigungsschreiben nahmen überdies jeweils auf die beigefügten allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfgesellschaften (Anlage B 36) Bezug. Die allgemeinen Auftragsbedingungen enthielten unter Ziff. 14 eine Regelung, nach der die Beklagte angemessene Vorschüsse auf Vergütung und Auslagenersatz verlangen konnte.
Die Beklagte präsentierte im Zuge ihrer Tätigkeit für die Schuldnerin am 12.07.2013 ein Gutachten zur Liquiditätsbeurteilung (Anlage K 2) und stellte darin fest, dass die Schuldnerin aktuell und kurz- bis mittelfristig zahlungsfähig sei, während bei Betrachtung der Liquiditätslage bis Mai 2014 eine drohende Zahlungsunfähigkeit nur durch Bereitstellung externer Liquidität vermieden werden könne (S. 7). Im Management Case sei die Schuldnerin ab Dezember 2013 drohend zahlungsunfähig (S. 10).
Die Schuldnerin beauftragte anschließend am 21.07.2013 bzw. 09.08.2013 die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft AB (im Folgenden: AB) mit der Erstellung eines Sanierungskonzepts für die Schuldnerin und ihre verbundenen Unternehmen. In dem Auftragsschreiben (Anlage K 5) gab die Schuldnerin als Grund der Beauftragung an, dass der Unternehmensverbund durch anhaltende Verluste der Stadt1 Verkehrsbetrieb GmbH in eine Schieflage geraten sei und die Beklagte in diesem Kontext die Testate für die Jahresabschlüsse 2011 und 2012 verweigere.
AB erstellte für die Schuldnerin eine Going Concern-Analyse vom 15.10.2013 (Anlage B 12), die für den Fall der Umsetzung verschiedener Stabilisierungsmaßnahmen eine positive Fortführungsprognose bestätigte.
In der Aufsichtsratssitzung vom 19.11.2013 führte die Beklagte im Rahmen einer Präsentation zum Stand der Abschlussprüfung (Anlage B 14) aus, dass der Fortbestand der Schuldnerin nach dem gegenwärtigen Stand aufgrund einer Liquiditätsunterdeckung ohne weitere Maßnahmen gefährdet sei (S. 24).
Am 21.11.2013 versagte die Beklagte der Schuldnerin den Bestätigungsvermerk für den Jahresabschluss 2012 und führte zur Begründung aus, dass für die Schuldnerin bzw. den Konzern das Problem bestehe, dass die Zahlungsfähigkeit im relevanten Planungszeitraum nicht hinreichend gesichert sei und ein Bestätigungsvermerk für die vorliegenden Abschlüsse nur erteilt werden könne, wenn nachgewiesen werde, dass durch geeignete und rechtsbeständige Maßnahmen die Zahlungsunfähigkeit abgewendet sei (Anlage K 3).
Im Folgenden präsentierte AB am 20.12.2013 ein Sanierungskonzept (vgl. Anlage K 5), in dem für eine Fortführungsprognose bestimmte, kumulativ zu erfüllende Voraussetzungen bezeichnet waren. Dabei handelte es sich im Einzelnen um den Verkauf des Verwaltungsgebäudes der Schuldnerin, die Prolongation eines im August 2014 ausgelaufenen Darlehens der Bank1 in Höhe von 4,8 Mio. Euro, die Einzahlung eines Bila...