Entscheidungsstichwort (Thema)
Unerlaubte unentgeltliche Rechtsberatung durch einen Verband
Leitsatz (amtlich)
1. Die unentgeltliche Erbringung außergerichtlicher Rechtsberatungsleistungen durch eine Person, die nicht die Befähigung zum Richteramt hat, ist einem Verband gegenüber Nichtmitgliedern nur gestattet, wenn gewährleistet ist, dass diese Person regelmäßig rechtlich geschult wird und während der Beratungstätigkeit eine Person mit der Befähigung zum Richteramt für etwaige Nachfragen zur Verfügung steht.
2. Gegen eine nach Ziff. 1. unerlaubte Rechtsberatung kann eine Rechtsanwaltskammer gem. § 3 II Nr. 2 UKlaG auch dann vorgehen, wenn mit der Rechtsberatung keine gewerblichen Zwecke verfolgt werden.
3. Die Vorschrift des § 79 II ZPO ist kein Verbraucherschutzgesetz i.S.v. § 2 I UKlaG.
Normenkette
RDG §§ 3, 6; UKlaG §§ 2, 3 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 05.02.2014; Aktenzeichen 12 O 53/13) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 5.2.2014 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Wiesbaden teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes i.H.v. bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen,
außergerichtliche Rechtsdienstleistungen anzubieten und/oder zu erbringen, ohne dass eine Erlaubnis nach dem Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (RDG) oder aufgrund eines anderen Gesetzes besteht, insbesondere Sozial- und Rechtsberatung, wie unter http:/A2 ... (Anlage K1 zur Klageschrift).
Der Beklagte wird außerdem verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Abmahnkosten i.H.v. EUR 150 zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 11.5.2013 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistungen vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe 12.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Zulässigkeit angeblich unentgeltlicher Rechtsdienstleistungen.
Bei der Beklagten handelt es sich um einen am ... 2008 gegründeten gemeinnützigen eingetragenen Verein. Auf seiner Homepage heißt es, der Verein sei von der Partei A und der A1 zusammen mit weiteren Interessierten gegründet worden. Nach § 2 der Satzung des Beklagten besteht der Vereinszweck in der unentgeltlichen Beratung und Begleitung im Themenbereich von psychosozialem Stress. Einer der aufgeführten Beratungspunkte lautet "rechtliche Beratung" (Anlage K2). Auf seiner Homepage führt der Beklagte u.a. folgenden Service auf: "Sozial- und Rechtsberatung" (Anlage K1).
Die klagende Rechtsanwaltskammer ist der Auffassung, die Beratungsleistungen des Beklagten seien mit dem RDG nicht vereinbar. Darin sieht sie zugleich einen Verstoß gegen das Lauterkeitsrecht. Sie hat behauptet, der Beklagte berate sowohl Mitglieder als auch Nichtmitglieder. Das Vorstandsmitglied Frau B habe eine Rechtsuchende vor dem AG O1 in einer Mietsache vertreten.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, außergerichtliche Rechtsdienstleistungen anzubieten und/oder zu erbringen, ohne dass eine Erlaubnis nach dem RDG oder aufgrund eines anderen Gesetzes besteht, sowie Mitglieder oder Nichtmitglieder im gerichtlichen Verfahren zu vertreten. Außerdem hat sie Erstattung der Abmahnkosten verlangt.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat behauptet, die beratenden Personen würden von Personen mit Befähigung zum Richteramt geschult. Sobald eine Rechtsberatung durch einen Rechtsanwalt notwendig werde, werde entsprechende Unterstützung beigezogen bzw. verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf das Urteil des LG Bezug genommen (§ 540 I Nr. 1 ZPO). Das LG hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Gegen diese Beurteilung wendet sich der Beklagte mit der Berufung, in der er seinen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Im Berufungsrechtszug wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen. In der mündlichen Verhandlung vom 26.3.2015 hat die Klägerin ihre Unterlassungsansprüche zusätzlich auf § 2 UKlaG gestützt.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des LG Wiesbaden in der Sache 12 O 53/13 vom 5.2.2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung des Beklagten und Berufungsklägers vom 11.3.2014 kostenpflichtig zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass
1. in a) des Tenors des angefochtenen Urteils vor "anzubieten" eingefügt wird "(Anlage K 1 zur Klageschrift)" und
2. in b) des Tenors des angefochtenen Urteils hinzugefügt wird "indem Organe der Beklagten in mündlichen Verhandlungen vor Gericht Erklärungen namens einer Prozesspartei abgeben".
Wegen des weiteren Parteivorbringens wir...