Entscheidungsstichwort (Thema)

Anleger- und objektgerechte Beratung bei Lehmann-Zertifikaten; Abgrenzung von Rückvergütungen und (Innen-) Provisionen; Widerlegung der Vermutung aufklärungrichtigen Verhaltens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Aufklärungsbedürftige Rückvergütungen liegen nicht nur im Falle des Erwerbs von Zertifikaten zum Nennwert oder Kurswert; dabei ist unerheblich, ob der Verkauf im Wege des Eigenhandels oder als Kommisionsgeschäft erfolgt.

2. Zur Widerlegung der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens

 

Normenkette

BGB § 280 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 21.04.2011)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 21.4.2011 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes, des Zeugen Dr. Z1, klagende Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Februar 2007 im Zusammenhang mit dem Erwerb von 60 Stück Lehman-Bonus Express-Zertifikaten über einen Betrag von 60.748,20 EUR (Stückpreis 1.012,47 EUR).

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird nach § 540 Abs. 1 ZPO abgesehen. Es wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil.

Das LG hat mit seinem am 21.4.2011 verkündeten und der Beklagten am 27.4.2011 zugestellten Urteil der Klage, mit der die Klägerin die Rückzahlung des Anlagebetrages Zug um Zug gegen Übertragung der Zertifikate nebst Zinsen aus entgangenem Gewinn sowie Freistellung von entstandenen außergerichtlichen Anwaltskosten und die Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten begehrte, überwiegend stattgegeben. Es hat unter Annahme des Zustandekommens eines Beratungsvertrages eine fehlerhafte Beratung darin gesehen, dass die Beklagte den Kläger nicht über die von der Beklagten für die Vermittlung der Geldanlage vereinnahmte mindestens 3%ige Provision aufgeklärt habe. Bei dieser Differenz handele es sich um eine der Aufklärungspflicht unterliegende Leistung der die Zertifikate emittierenden Bank. Zwar handele es sich dabei nicht um eine Rückvergütung im Sinne der Rechtsprechung des BGH, jedoch sei entscheidend, dass die Bank durch die Zuwendung der Emittentin in einen Interessenkonflikt gerate, der aufklärungspflichtig sei.

Unter dem Gesichtspunkt des Interessenkonflikts komme es wegen der identischen Interessenlage auch nicht darauf an, ob ein Kommissionsgeschäft oder ein Eigengeschäft der Beklagten vorliege. Den Antrag auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten hat das LG abgewiesen.

Hiergegen wenden sich die Beklagte mit ihrer am 4.5.2011 eingelegten und am 27.6.2011 begründeten Berufung und die Klägerin mit ihrer am 15.8.2011 eingelegten Anschlussberufung.

Die Beklagte macht geltend, dass es sich bei dem Verkauf der Zertifikate um ein sog. Festpreisgeschäft im Eigenhandel handele und eine Pflicht der Beklagten, den Anlageinteressenten über die Erträge aus diesem Geschäft aufzuklären, nicht bestehe. Im Übrigen sei der Kläger anhand der Produktbeschreibung über die Funktionsweise der Zertifikate sowie über die Chancen und Risiken des Erwerbs der Zertifikate durch den Zeugen Z2 hinreichend aufgeklärt worden. Die Beratung sei auch anlegergerecht erfolgt. Schließlich fehle es auch an der erforderlichen Kausalität.

Die Beklagte wiederholt und vertieft im Übrigen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Sie beantragt, das am 21.4.2011 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil im Umfange der Verurteilung der Beklagten unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Im Wege der Anschlussberufung verfolgt die Klägerin ihre vom LG abgewiesenen Ansprüche auf Freistellung von entstandenen außergerichtlichen Kosten oder auf Zahlung des entsprechenden Betrages weiter.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze der Parteien verwiesen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Dr. Z1 und Z2. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16.9.2011 (Bl. 332 ff. d.A.) verwiesen.

II. Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagte hat Erfolg, die zulässige Anschlussberufung ist hingegen nicht begründet.

1. Die Klägerin hat aus abgetretenem Recht des Zeugen Dr. Z1 (Zedent) keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Schadensersatz gem. § 280 Abs. 1 BGB wegen fehlerhafter Anlageberatung.

Die Klägerin hat nicht bewiesen, das...

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