Leitsatz (amtlich)

Zum Begriff der "Nichtbeförderung" im Sinne der EuFlugVO.

 

Normenkette

EuFlugVO §§ 2j, 4, 7

 

Verfahrensgang

AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 30 C 1062/07-68)

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt eine Ausgleichszahlung gem. Art. 7 Abs. 1a i.V.m. Art. 4 Abs. 3 der EU-Verordnung Nr. 261/04 (im Folgenden: EuFlugVO).

Der Kläger buchte bei der Beklagten einen Flug für den ... Oktober 2006 von 01 nach O2 über O3. Die geplante Abflugzeit war 17:15 Uhr, die tatsächliche Abflugzeit 19:15 Uhr. Den um 20:25 Uhr planmäßig startenden Anschlussflug von O3 nach O2 konnte der Kläger aufgrund der Verspätung des Zubringerfluges nicht mehr erreichen. Die Beklagte buchte daraufhin den Kläger auf den Folgetag um, so dass er sein Ziel erst am 4.10.2006 gegen 11:00 Uhr, also mit 13 Stunden Verspätung, erreichte. Hierfür macht der Kläger eine Ausgleichszahlung i.H.v. 250 EUR geltend.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 37-38 d.A.) Bezug genommen.

Das AG hat der Klage stattgegeben und dem Kläger die gem. Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art. 7 Abs. 1a EuFlugVO vorgesehene Ausgleichszahlung von 250 EUR zugebilligt. Zur Begründung hat das AG ausgeführt, dass nicht nur eine Verspätung, sondern wegen des nicht mehr erreichten Weiterflugs eine Nichtbeförderung vorliege. Nach Ansicht des AG kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sich der Kläger nicht gem. Art. 3 Abs. 2a der Verordnung spätestens 45 Minuten vor der veröffentlichten Abflugzeit zur Abfertigung eingefunden habe, weil er bereits in 01 zugleich für den Weiterflug die Boarding-Pässe erhalten habe.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten der amtsgerichtlichen Begründung wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 39 - 41 d.A.) Bezug genommen.

Gegen das ihr am 12.6.2007 zugestellte Urteil des AG Frankfurt/M. vom 8.6.2007 hat die Beklagte mit einer am 26.6.2007 eingegangenen Schrift - wie vom AG zugelassen - Berufung eingelegt, die mit einer am 24.7.2007 eingegangenen Schrift begründet worden ist.

Die Berufung beschränkt sich auf die zugebilligte Ausgleichszahlung für den Flug des Klägers am ... Oktober 2006 von 01 über O3 nach O2.

Die vom AG ebenfalls zugebilligte Ausgleichszahlung wegen Annullierung des Rückflugs vom 6.10.2006 von O3 nach 01 ist nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens.

Die Beklagte rügt Rechtsfehler und ist der Ansicht, hinsichtlich des Hinfluges am ... Oktober 2006 von 01 nach O3 liege lediglich eine Verspätung und keine "Nichtbeförderung" vor.

Die Beklagte beantragt, das am 8.6.2007 verkündete Urteil des AG Frankfurt/M. - 30 C 1062/07 - 68 - aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit die Beklagte zu mehr als 250 EUR verurteilt worden ist.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

Hinsichtlich weiter Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig.

Das OLG Frankfurt ist das gem. § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG zuständige Gericht, da es sich um Streitigkeiten über Ansprüche handelt, die gegen eine Partei erhoben werden, die ihren allgemeinen Gerichtsstand im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit in erster Instanz außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes hatte. In Deutschland gibt es nämlich lediglich eine Zweigniederlassung der Beklagten.

Die Berufung ist auch begründet.

Dem Kläger steht kein Anspruch auf Ausgleichszahlung gem. Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art. 7 Abs. 1a EuFlugVO zu.

Zwar ist diese Verordnung gemäß Art. 3 Abs. 2b EuFlugVO anwendbar. Nach Auffassung des Senats liegt jedoch keine "Nichtbeförderung" i.S.d. Art. 4 EuFlugVO vor.

Nach der Definition des Begriffs in Art. 2j EUFlugVO setzt eine "Nichtbeförderung" die Weigerung voraus, Fluggäste zu befördern, obwohl sie sich unter den in Art. 3 Abs. 2 genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden haben, sofern keine vertretbaren Gründe für die Nichtbeförderung gegeben sind, z.B. im Zusammenhang mit der Gesundheit oder der allgemeinen oder betrieblichen Sicherheit oder unzureichenden Reiseunterlagen.

Eine rein faktische "Nicht-Weiter-Beförderung", z.B. wegen Verspätung des Zubringerfluges, reicht indessen nicht aus, eine Nichtbeförderung i.S.d. Art. 2j EuFlugVO anzunehmen.

Das ist bereits aufgrund des Wortlauts der Fall, da der Begriff der "Weigerung" ein bewusstes Zurückweisen der Passagiere impliziert, die sich mit einer bestätigten Buchung und rechtzeitig zur Flugabfertigung eingefunden haben. Darüber hinaus spricht auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift für eine Beschränkung auf die Fälle einer Zurückweisung der Fluggäste wegen Überbuchung des Fluges.

Die EG-VO 261/04 hat die EG-VO Nr. 295/91 abgelöst. Sie hat zwar den Anwendungsbereich der alten Verordnung erweitert, jedoch nicht auf die Fälle des Nichterreichens des Anschlussfluges wege...

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