Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an ein diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke; Beurteilung von "Botanicals" nach der Health-Claims-Verordnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach Inkrafttreten der VO 609/2013 liegt ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke nur dann vor, wenn es dazu dient, ein medizinisch bedingtes Nährstoffdefizit auszugleichen; es reicht nicht aus, wenn die Nährstoffzufuhr auf andere Weise Erkrankungen entgegenwirken soll.

2. Spezifische gesundheitsbezogene Angaben zu sog. "Botanicals" unterliegen - anders als Verweise auf unspezifische Vorteile - den Anforderungen des Art. 10 I HCVO. Die Aussagen, ein Mittel verringere das Körpergewicht, fördere die Fettverbrennung und reduziere den Bauch- und Hüftumfang, sind als spezifische gesundheitsbezogene Angaben einzuordnen.

 

Normenkette

EGV 1924/2006 Art. 10; EVO 609/2013 Art. 2

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 19.12.2017; Aktenzeichen 3-6 O 75/17)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 19.12.2017 verkündete Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main wird, nachdem die Parteien den Rechtsstreit teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt haben, zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 45.000,- EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 45.000,- EUR leistet.

 

Gründe

I. Wegen des Sach- und Streitstandes wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Im Berufungsverfahren haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich des Klageantrags zu 1. (Tenor zu I. 1. des angefochtenen Urteils) in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

Mit den weiteren Unterlassungsanträgen (Tenor zu I. 2. und 3. des angefochtenen Urteils) wendet sich der Kläger gegen die Angaben, mit denen die Beklagte das Mittel "X Fat Burner" auf der Produktverpackung bewirbt. Sie beanstandet die Bezeichnung "Fat Burner" sowie die Verwendung folgender Angaben:

1. "Verringert nachweislich das Körpergewicht",

2. "Fördert die Fettverbrennung",

3. "Reduziert Bauch- und Hüftumfang",

4. "X Fat Burner enthält den natürlichen Wirkstoff Zitrusfrucht- und Guaranaextrakt. Dieser besitzt die Eigenschaften und Merkmale, den (Bauch-)fett-abbau zu unterstützen, indem es diätetisch den Bauch- und Hüftumfang sowie das Körpergewicht reduziert, wie in einer klinischen Studie nachgewiesen werden konnte",

5. "in Verbindung mit einer ausgewogenen und kalorienbewussten Ernährung sowie einem aktiven körperlichen Bewegungsprogramm unterstützt X Fat Burner die Gewichtsreduktion effektiv",

jeweils, wenn dies geschieht wie in Anlage K 1 zur Klageschrift wiedergegeben.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stünden gegen die Beklagte die geltend gemachten Unterlassungsansprüche aus §§ 3, 3a, 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 lit. c), 2 Abs. 2 lit. g), 9 Abs. 1, Abs. 5 VO (EU) 609/2013 zu. Die Norm sei (bezogen auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung) bereits anwendbar und habe Vorrang vor der Richtlinie 1999/21/EG, die mit der Diätverordnung umgesetzt wurde. Nach Artikel 2 Abs. 2 lit. g) seien diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (im Folgenden: "LbmZ") zur ausschließlichen oder teilweisen Ernährung von Patienten mit eingeschränkter, behinderter oder gestörter Fähigkeit zur Aufnahme, Verdauung, Resorbtion, Verstoffwechselung oder Ausscheidung gewöhnlicher Lebensmittel oder bestimmter darin enthaltener Nährstoffe oder Stoffwechselprodukte oder von Patienten mit einem sonstigen medizinisch bedingten Nährstoffbedarf bestimmt, für deren Diätmanagement die Modifizierung der normalen Ernährung allein nicht ausreiche. Bei dem streitgegenständlichen Produkt handele es sich nicht um ein LbmZ nach dieser Definition, da das Produkt nicht zur Deckung eines medizinisch bedingten Nährstoffbedarfs bestimmt sei, sondern mit bestimmten Nährstoffen die Gewichtsreduktion erst hierbeigeführt bzw. unterstützt werden solle. Im Übrigen fehle es bei dem streitgegenständlichen Produkt auch an dem insoweit notwendigen Wirkungsnachweis.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Die Beklagte vertritt die Auffassung, bei dem streitigen Produkt handele es sich sehr wohl um ein Lebensmittel für Patienten mit einem sonstigen medizinisch bedingten Nährstoffbedarf. Auch verkenne das Landgericht zu Unrecht, dass es für das streitige Produkt an dem notwendigen Wirksamkeitsnachweis fehle.

Weder dem Wortlaut der VO 609/2013/EG noch der delegierten Verordnung 2016/128/EG sei zu entnehmen, dass die Definition des medizinisch bedingten Nährstoffbedarfs korrigiert werden sollte. Bei einem Produkt, das zum "Diätmanagement" bestimmt sei, sei es gerade der kla...

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