Entscheidungsstichwort (Thema)

Kartellrecht: Kfz-Werkstatt-Servicenetz als vorgelagerter Markt

 

Normenkette

GWB §§ 18-20, 33; EGV 1400/2002 Art. 3 Abs. 5; AEUV Art. 101-102

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 13.11.2013; Aktenzeichen 3-8 O 81/13)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 26.01.2016; Aktenzeichen KZR 41/14)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Frankfurt/M. vom 13.11.2013 wie folgt abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die von der Beklagten mit Schreiben vom 23.5.2011 ausgesprochene Kündigung des A-Servicevertrages vom 30.9./14.10.2003 unwirksam ist und das Vertragsverhältnis über den 31.5.2013 fortbesteht.

2. Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 29.750 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 1.7.2014 zu zahlen.

Wegen des weiter gehenden Zinsanspruchs wird die Widerklage abgewiesen.

4. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

5. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 3/5 und die Beklagte 2/5 zu tragen.

6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweils andere Teil vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

7. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin, die in O1 ein Autohaus betreibt, war bis 2009 (auch) Vertragshändlerin der Beklagten; zuletzt war sie aufgrund eines 2003 abgeschlossenen "Autorisierten A-Service-Vertrages" (nur noch) "Servicepartnerin" der Beklagten. Die Beklagte hat den Servicevertrag mit der Klägerin sowie allen anderen ihren Vertragspartnern mit Schreiben vom 23.5.2011 zum 31.5.2013 gekündigt, weil sich die Muttergesellschaft "zum Ziel gesetzt [habe], das A-Servicenetz in Europa neu zu ordnen" (Anlage K5). In dem Schreiben wird weiter erklärt, "dass diese Kündigung nicht wegen Verhaltensweisen Ihres Unternehmens veranlasst ist, die nach der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 der EU-Kommission vom 31.7.2002 nicht eingeschränkt oder versagt werden können." Der Mehrzahl der bisherigen Vertragswerkstätten wurde in der Folge der Abschluss eines neuen Werkstattvertrages angeboten. Das Kündigungsschreiben gegenüber der Klägerin enthielt hingegen den Hinweis, dass ihr Unternehmen bei der Neuplanung nicht berücksichtigt werden könne; dementsprechend wurde der Antrag der Klägerin auf Abschluss eines neuen Werkstattvertrages abgelehnt.

Die Klägerin hat mit der Klage in erster Instanz Feststellung dahingehend begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin als A-Vertragswerkstatt zuzulassen; hilfsweise Verurteilung der Beklagten, die Klägerin mit Original-Ersatzzeilen zu den Konditionen zu beliefern, die die Beklagte ihren Werkstätten gewährt.

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Klägerin hat nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils mit Schreiben vom 29.11.2013 Rückkauf der noch vorhandenen Originalersatzteile der Beklagten begehrt (Bl. 267 d.A.). In der Folgezeit haben sich die Parteien dahingehend geeinigt, dass die Beklagte zum Ausgleich des Bestandes an A-Teilen einen Betrag von Euro 25.000 netto zzgl. Umsatzsteuer zahlt, ohne dass die Klägerin zur Rückgabe der Ersatzteile verpflichtet wäre.

Das LG hat die Klage abgewiesen.

Es hat die Feststellungsklage für zulässig erachtet, da davon auszugehen sei, dass auch ein rechtskräftiges Feststellungsurteil zu einer endgültigen Beilegung des Rechtsstreits führen würde.

Des Weiteren hat es ausgeführt, dass die Kündigung des Werkstattvertrages nicht nach §§ 20 Abs. 1 und 2 GWB, 134 BGB unwirksam sei. Dies gelte selbst dann, wenn von einer marktbeherrschenden Stellung der Beklagten oder einer unternehmensbedingten Abhängigkeit der Klägerin auszugehen sei, denn die Kündigung sei jedenfalls sachlich gerechtfertigt, weil die Beklagte europaweit alle Werkstattverträge gekündigt habe, weil sie ihr Netz habe neu organisieren wollen. Im Übrigen würde die Unwirksamkeit der Kündigung nicht dazu führen, dass der Klägerin ein Anspruch auf Zulassung zum neuen Werkstattnetz der Beklagten zustünde.

Der Klägerin stehe weder aus §§ 20 Abs. 1, 33 GWB noch aus Art. 102 AEUV, § 33 GWB ein Anspruch auf Zulassung als Vertragswerkstatt zu. Die Beklagte sei auf dem relevanten Markt nicht marktbeherrschend. Maßgeblich sei der vorgelagerte Markt, der alle Produkte, Dienstleistungen und Rechte umfasse, die den Zutritt auf den nachgelagerten Endkundenmarkt zur Erbringung von Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen für Pkw erleichtere. Die Zulassung als A-Vertragswerkstatt bilde keinen eigenständigen Markt. Diese Zulassung sei lediglich für die Erbringung von Garantieleistungen, Kulanzleistungen und Leistungen im Rahmen von Rückrufaktionen von Bedeutung; hierbei handele es sich ...

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