Leitsatz (amtlich)
Auch für den Versand von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus einem EU-Mitgliedsstaat nach Deutschland gelten die Festpreise nach der Arzneimittelfestpreisverordnung.
Normenkette
AMG § 78; EG Art. 28, 30
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Aktenzeichen 12 O 123/06) |
Gründe
I. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das LG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Verstoß gegen § 7 HWG liege nicht vor, weil es an dem erforderlichen Produktbezug der Werbemaßnahme fehle. Die Tatsache, dass die Gewährung eines Rabattes zwangsläufig mit dem Erwerb eines Medikaments verknüpft sei, begründe noch keinen Produktbezug i.S.d. § 7 HWG. Schließlich stelle das Bonussystem auch keinen Fall der unangemessenen unsachlichen Beeinflussung i.S.v. § 4 Nr. 1 UWG dar, weil durch diese Verkaufsfördermaßnahme die Rationalität der Nachfrageentscheidung nicht ausgeschaltet werde.
Ein Verstoß gegen § 78 AMG in Verbindung mit der Arzneimittelpreisverordnung liege nicht vor, weil es sich bei dem Verkauf eines rezeptpflichtigen Medikaments durch die in den Niederlanden ansässige Beklagte nach Deutschland um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt handele, auf den die Arzneimittelpreisverordnung nicht anwendbar sei. Auf die Frage, ob bei Geltung der Preisbindungsvorschriften diese mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar wären, komme es mithin nicht an.
Es liege auch kein Fall einer unangemessenen, unsachlichen Beeinflussung i.S.d. § 4 Nr. 1 UWG vor; eine solche sei allein in der Gewährung eines Rabatts nicht zu sehen, weil hierdurch die Rationalität der Nachfrageentscheidung nicht derart in den Hintergrund gedrängt würde, das sie praktisch ausgeschaltet wäre.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Zur Begründung führt sie aus, das Bonussystem der Beklagten verstoße gegen § 7 HWG; die Vorschrift sei anwendbar, weil es sich bei dem Bonussystem keineswegs nur um eine Imagewerbung handele, sondern eindeutig der Absatz von Arzneimitteln im Vordergrund stehe. Der Zweck des § 7 HWG, zu verhindern, dass die Verbraucher bei der Entscheidung, ob und welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, unsachlich durch die Aussicht auf Zugaben und Werbegaben beeinflusst werden, gebiete ein Verbot nach dieser Vorschrift. Gemeinschaftsrechtliche Einwände dagegen, dass sich die Werbung der niederländischen Beklagten am Maßstab des § 7 HWG messen lassen müsse, bestünden nicht. Auch könne die Beklagte sich nicht auf das Herkunftslandprinzip des § 3 TMG berufen, da bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln der Weg des E-Commerce nicht offenstehe. Außerdem wende sie sich mit ihrem Unterlassungsantrag nicht nur gegen die Bewerbung des Bonussystems der Beklagten im Internet, sondern auch gegen ihre Werbung in Printmedien. Als Beispiel hierfür legt die Klägerin Seiten aus dem Prospekt der Beklagten "Sommer 07 - gültig vom 1.6. bis 31.8.2007" vor (Anlage BK 3 zum Schriftsatz vom 22.11.2007, Bl. 508 ff. d.A.).
Gleichzeitig verstoße das von der Beklagten angewendete Bonussystem gegen § 78 Abs. 2 Satz 2 AMG. Entgegen der Auffassung des LG sei diese Norm auf grenzüberschreitende Sachverhalte anzuwenden. Dem Gesetzgeber könne nicht unterstellt werden, die Absicht zu verfolgen, die eigenen Bürger gegenüber Gewerbetreibenden aus anderen Mitgliedsstaaten zu benachteiligen. Vor allem aber spreche der Schutzzweck der Preisvorschriften für die Anwendbarkeit auf den grenzüberschreitenden Versandhandel, weil die Regelungen über die Festpreise vor allem dazu dienten, einen ruinösen Preiswettbewerb unter den Apotheken zu verhindern und damit eine flächendeckende und qualitativ hochwertige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen. Die Anwendung der Preisvorschriften auf den grenzüberschreitenden Handel mit Arzneimitteln sei auch europarechtskonform; wie der EuGH wiederholt festgestellt habe, dürften die Mitgliedsstaaten im Rahmen ihrer Zuständigkeit für den Gesundheitsbereich darauf hinwirken, dass zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen die Arzneimittel zu angemessenen Preisen verkauft werden.
Schließlich verstoße die Gewährung von Rabatten i.H.v. bis zu 15 EUR pro Arzneimittel gegen §§ 3, 4 Nr. 1 UWG, da die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers durch unangemessene unsachliche Beeinflussung beeinträchtigt werde.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung von Ordnungsgeld i.H.v. bis zu 250.000 EUR - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu untersagen, gegenüber Endverbrauchern mit einem Bonus i.H.v. 3 % auf verschreibungspflichtige Arzneimittel auf Kassenrezept, immer mindestens 2,50 EUR oder maximal 15 EUR pro verordneter Packung zu werben und/oder werben zu lassen und/oder einen solchen Bonus anzukündigen und/oder ankündigen zu lassen und/oder zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
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