Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung der Luftfrachtführerin für Abhandenkommen einer Sendung wegen unzureichender Kontrolle ihres Personals (Organisationsverschulden)

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 10.09.2002; Aktenzeichen 14 O 215/99)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des LG Darmstadt vom 10.9.2002 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Beklagte ist mit mehr als 20.000 Euro beschwert.

 

Gründe

1. Die Versicherungsnehmerin der Klägerin hatte Edelsteine durch ein in Kanada ansässiges Unternehmen bearbeiten lassen. Die bearbeiteten Steine wurden am 3.4.1998 in vier Paketen der Beklagten zum Rücktransport nach Deutschland übergeben. Drei davon kamen am 5.4., ein weiteres am 7.4. im Lager der Beklagten auf dem Rhein-Main-Flughafen an. Die drei zuerst angekommenen Pakete verschwanden. Nachforschungen blieben erfolglos.

Die Klägerin leistete ihrer Versicherungsnehmerin eine Entschädigung i.H.v. ca. 172.000 DM und nahm die Beklagte in Regress. Die Beklagte übersandte der Klägerin einen Scheck über 850 DM mit dem Hinweis, die Klägerin erkläre sich durch die Einlösung für abgefunden. Diese löste den Scheck ein.

Die Klägerin verfolgt den Regress im Rechtsstreit weiter. Das LG hat die Beklagte zum Schadensausgleich verurteilt.

Wegen der tatbestandlichen Einzelheiten nimmt das Berufungsgericht auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug.

Im Berufungsverfahren hebt die Beklagte hervor, dass ihre organisatorischen Schutzmaßnahmen ausreichend seien; sie verweist darauf, dass Straftaten durch Mitarbeiter nie völlig auszuschließen seien. Mehrere Diebstahlsfälle habe die Beklagte zur Anzeige gebracht und drei Mitarbeiter entlassen.

Das Transportgut werde bei Eingang und Ausgang registriert und auch während der Zwischenlagerung überprüft. Der Zugang zu den Lagerhallen werde kontrolliert, das Halleninnere überwacht. Gearbeitet werde in Gruppen von mindestens zwei Personen. Auch durch sorgfältigste Organisation lasse sich ein Diebstahl durch einen eigenen Mitarbeiter nie ganz vermeiden.

Die Beklagte bestreitet auch die Schadenshöhe. Der Zollwert der Ware entspreche ihrem wirklichen Wert. Sie meint, durch die Einlösung des Schecks habe sich die Klägerin für abgefunden erklärt.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des am 10.9.2002 verkündeten Urteils des LG Darmstadt das Versäumnisurteil vom 11.9.2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin wirft der Beklagten grobes Organisationsverschulden vor, insb. weil die Ladetore nicht geschlossen gehalten worden seien, weil die Feuerschutztüren nicht überwacht worden seien und weil die Beklagte eigene Mitarbeiter sowohl in der Halle als auch beim Verlassen nicht kontrolliert habe.

Im Zollwert des Transportguts spiegele sich lediglich der mit der Bearbeitung in Kanada erworbene Mehrwert der Steine wider.

2. Das angefochtene Urteil ist zu bestätigen. Das LG hat die Beklagte zu Recht zum Schadensausgleich verurteilt.

a) Die Anspruchsgrundlage ergibt sich aus Art. 18 Abs. 1 WA (i.V.m. § 67 Abs. 1 VVG). Nach dieser Bestimmung hat der Luftfrachtführer den Schaden zu ersetzen, der durch Verlust von Gütern entsteht, wenn das Ereignis, durch das der Schaden verursacht wurde, während der Luftbeförderung eingetreten ist. Hierbei umfasst die Luftbeförderung gem. Art. 18 Abs. 2 WA auch den Zeitraum, in dem sich die Güter auf einem Flughafen unter der Obhut des Luftfrachtführers befinden.

Da ein Verlust eingetreten ist, dies in - aus - der Halle der Beklagten auf dem Gelände des Frankfurter Flughafens, stehen die äußeren Voraussetzungen des Art. 18 WA fest.

b) Die Haftung der Beklagten entfällt nicht gem. Art. 20 WA. Nach dieser Vorschrift tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn der Luftfrachtführer beweist, dass er und "seine Leute" alle erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung des Schadens getroffen haben oder dass sie diese Maßnahmen nicht treffen konnten. Diesen Nachweis hat die Beklagte nicht erbracht.

aa) Zwar ist der Senat nicht geneigt, dem LG folgend das Fehlen einer Videoüberwachung ohne weiteres als Organisationsmangel zu bewerten. Denn jedenfalls die gezielte Entnahme eines oder mehrerer Pakete durch einen Mitarbeiter - wie sie hier nach dem Vortrag beider Parteien im Raume steht - lässt sich durch eine Videoüberwachung nicht verhindern: Der Sicherheitsbedienstete kann auf dem Monitor nicht unterscheiden, ob ein Paket mit oder ohne betrieblichen Grund entnommen wird.

bb) Auch der vom LG in zweiter Linie erhobene (Verschuldens-)Vorwurf, es fehlte bei der Beklagten an einer Ausgangskontrolle in dem Sinne, dass einem verloren gegangenen Paket nicht als...

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