Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässiges Überkleben einer Marke mit einer neuen PZN auf der Verpackung eines Medizinproduktes (URGO II)
Leitsatz (amtlich)
Das Überdecken einer Marke (hier: im Zuge der Anbringung der neuen PZN) ist grundsätzlich geeignet, die Herkunftsfunktion der Marke zu beeinträchtigen. Indes muss nicht jedes Überkleben der Marke zwangsläufig zu dieser Beeinträchtigung führen. Es ist vielmehr auf die konkrete Gestaltung im Einzelfall abzustellen.
Normenkette
MarkenG § 24; UMV Art. 15
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 16.09.2020; Aktenzeichen 3-8 O 14/20) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16.9.2020 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tagen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten über markenrechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit dem Parallelimport von Medizinprodukten. Die Klägerin vertreibt in Deutschland unter der Marke "URGO" Produkte zur Wundversorgung, zu denen auch die streitgegenständlichen Produkte zählen.
Für eine Konzerngesellschaft der Klägerin ist die Unionswortmarke "URGO" (Nr. ...) eingetragen. Diese Gesellschaft ist ferner Inhaberin der Unionsbildmarke Nr. ... (das sog. "URGO-Männchen"), einer weiteren Unionsbildmarke Nr. ... und einer weiteren Unionswortmarke "Urgo Medical, Healing People" (Nr. ...). Alle Marken sind für Waren der Warenklasse 5 registriert. Die Klägerin ist als exklusive Lizenznehmerin ermächtigt, in Deutschland Ansprüche aus diesen Marken geltend zu machen und durchzusetzen.
Die Beklagte befasst sich unter anderem mit dem Parallelimport von Medizinprodukten. Sie importierte die streitgegenständlichen Produkte, die unter den streitgegenständlichen Marken mit Zustimmung der Markeninhaberin in Österreich in den Verkehr gebracht worden waren und die vielfach mit der Marke "URGO" und dem sog. URGO-Männchen gekennzeichnet sind. Dazu überklebte sie neben der PZN einen Teil der Marken, öffnete die Originalverpackungen aber nicht.
Die Klägerin kennzeichnet die in Österreich in den Verkehr gebrachten Wundauflagen wie nachfolgend wiedergegeben:
((Abbildung))
((Abbildung))
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Die von der Beklagten überklebten Verpackungen sehen aus, wie nachfolgend wiedergegeben:
((Abbildung))
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Hiergegen richtet sich die Klage.
Im Hinblick auf den Antrag zu Ziffer 1. a) geht die die Klägerin primär aus der Unionsmarke "URGO" (Nr. ...), hilfsweise aus der Unionsbildmarke ... und äußerst hilfsweise aus der Unionswortmarke ... vor und im Hinblick auf den Klageantrag zu Ziffer 1. b) aus der Unionsbildmarke Nr. ....
Das Landgericht hat die Beklagte durch Urteil vom 16.9.2020, auf das gemäß § 540 Abs. 1 ZPO im Hinblick auf die tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, antragsgemäß zur Unterlassung, zur Auskunft sowie zum Schadensersatz verurteilt.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, das Markenrecht der Klägerin sei nicht gemäß Art. 15 Abs. 1 UMV erschöpft. Die Klägerin könne sich gemäß Art. 15 Abs. 2 UMV dem weiteren Vertrieb der Ware widersetzen, da der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert bzw. verschlechtert worden sei. Durch das Überkleben und Verdecken der Marke werde der spezifische Gegenstand der Klagemarken beeinträchtigt, der darin bestehe, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Herkunft der mit ihr versehenen Ware zu garantieren.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen Bezug genommen.
II. Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
A) Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch aus Art. 9 Abs. 2 lit. a, 130 Abs. 1 UMV, § 14 Abs. 5, Abs. 2 Nr. 1 MarkenG auf Unterlassung der Benutzung der angegriffenen Bezeichnungen zu, da diese keine der Klagemarken verletzt.
1. Die Beklagte benutzt die angegriffenen Zeichen "URGO" und das "URGO-Männchen" - soweit diese nicht überklebt wurden - auf den streitgegenständlichen Verpackungen zweifellos markenmäßig.
2. Es liegt ein Fall der Doppelidentität vor. Die Klagemarken sind unter anderem für "Verbandsmaterial" eingetragen. Die Beklagte importiert und vertreibt Wundauflagen unter identischen Bezeichnungen.
3. Die Beklagte kann sich jedoch mit Erfolg auf die Erschöpfung (Art. 15 Ans. 1 UMV, § 24 MarkenG) des Verbietungsrechts aus den Marken berufen. Die Produkte wurden erstmals mit Zustimmung der Markeninhaberin in der E...