Entscheidungsstichwort (Thema)

"26 Titelverstöße"

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Entscheidung über Ordnungsmittelanträge wegen Verstoßes gegen eine Verbotsverfügung ist die vollbesetzte Kammer für Handelssachen auch dann zuständig, wenn der Vorsitzende die einstweilige Verfügung gem. § 944 ZPO allein erlassen hat.

2. Ist der Schuldner einer Verbotsverfügung verpflichtet, aufgrund des Verbots auch positive Handlungen vorzunehmen, insbesondere organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, und tut er dies nicht, so beginnt die Verfolgungsverjährung der Einzelverstöße gegen die Verbotsverfügung, die sich aufgrund dieses "Dauerunterlassens" ereignen, nicht zu laufen. Es liegt rechtlich nur ein Verstoß gegen die einstweilige Verfügung in Form eines Dauerverstoßes vor.

3. In einem solchen Fall kann es nicht zu beanstanden sein, wenn das Gericht nur 6 von insgesamt 26 Einzelvorfällen im Rahmen dieses Dauerverstoßes aufklärt, wenn es der Auffassung ist, dass sich dies auf die Höhe des verhängten Ordnungsgeldes nicht auswirkt. Das gilt jedenfalls dann, wenn es dem Gläubiger nicht darum geht, jeden Einzelfall einer gesonderten Sanktionierung zuzuführen.

4. Zur Darlegungslast einer Schuldnerin, wenn die Verstöße gegen eine Verbotsverfügung nicht von ihr selbst, sondern Werbern der von ihr beauftragten Werbeagenturen begangen werden.

 

Normenkette

ZPO §§ 890, 349 Abs. 2; EGStGB Art. 9 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Beschluss vom 02.12.2008; Aktenzeichen 416 O 355/05)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des LG Hamburg - Kammer 16 für Handelssachen - vom 2.12.2008 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Schuldnerin zur Last.

 

Gründe

Die gemäß den §§ 793, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist unbegründet.

1. Zu Recht beanstandet die Schuldnerin allerdings, dass die Kammer in voller Besetzung und nicht der Vorsitzende allein über die Ordnungsmittelanträge der Gläubigerin hätte entscheiden müssen.

a) Gemäß den §§ 890, 802 ZPO ist das Prozessgericht des ersten Rechtszuges für die Entscheidung über Ordnungsmittelanträge ausschließlich zuständig. Dies ist auch im Verfahren der einstweiligen Verfügung die vollbesetzte Kammer für Handelssachen, nicht der Vorsitzende allein. Soweit der Vorsitzende - wie auch hier - die einstweilige Verfügung ohne mündliche Verhandlung allein erlassen hat, beruht diese Alleinzuständigkeit auf der Sondervorschrift des § 944 ZPO. Die Entscheidung über einen Ordnungsmittelantrag wegen Verstoßes gegen die einstweilige Verfügung obliegt dagegen der Kammer (so auch OLG Frankfurt, Beschluss v. 6.7.1999, Aktz. 13 W 20/99 Tz. 14, zitiert nach juris).

Eine Alleinzuständigkeit des Vorsitzenden ergibt sich auch nicht aus § 349 Abs. 2 ZPO. Zwar ist - wie das LG zu Recht ausführt - der Katalog der dort genannten Entscheidungsbefugnisse nicht abschließend (Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 349 Rz. 17). Die aufgeführten Kompetenzen betreffen indessen entweder Entscheidungen zu prozessualen Fragen (Nr. 1, 2, 3,7 und 10), unstreitig beendeten oder einseitigen Verfahren (Nr. 4,5) oder Nebenpunkte wie Kosten usw. (Nr. 6, 9, 11 und 12). Sie betreffen also nicht Hauptsache-Entscheidungen in streitigen Sachen, die die Instanz beenden. Eine gewisse Ausnahme mag die alleinige Zuständigkeit im Wechsel- und Scheckprozess bilden (Nr. 8); hier bleibt der Rechtsstreit aber jedenfalls insofern in der Instanz, als er im Nachverfahren weiter betrieben werden kann (§ 600 ZPO). Dies spricht bereits dafür, dass eine streitige Endentscheidung über einen Ordnungsmittelantrag nicht vom Vorsitzenden allein getroffen werden kann.

Ferner lässt sich aus § 349 Abs. 2 Nr. 10 ZPO im Wege des Gegenschlusses folgern, dass im Bereich der Zwangsvollstreckung - dazu gehören Entscheidungen nach § 890 ZPO - eine Alleinzuständigkeit des Vorsitzenden nur für die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung, nicht für die Verhängung von Ordnungsmitteln, also Entscheidungen in der Hauptsache, besteht.

Schließlich handelt es sich bei der Verhängung von Ordnungsmitteln um strafähnliche Maßnahmen, die erhebliche Auswirkungen auf den Betroffenen haben können, insbesondere die Verhängung von Ordnungshaft. Wollte der Gesetzgeber dem Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen insoweit ein Alleinentscheidungsrecht einräumen, hätte dies nach Auffassung des Senats ausdrücklich geregelt werden müssen.

Entgegen der vom LG zitierten Kommentierung von Grunsky in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 349 Rz. 28, wonach der Vorsitzende außerhalb des Katalogs des § 349 Abs. 2 ZPO entscheiden dürfe, wenn es nicht auf die Sachkunde der Handelsrichter ankomme, ist der Senat mit der Kommentierung von Zöller/Greger (a.a.O. Rz. 19) der Auffassung, dass es auch bei diesen nicht ausdrücklich geregelten Kompetenzen nur um Vor- und Zwischenentscheidungen gehen kann, die die Hauptsache nicht präjudizieren. Im Übrigen überzeugt die Auffassung von Grunsky auch in der Sache nicht. Denn e...

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