Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 406 HKO 162/19)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 21.07.2020, Aktenzeichen 406 HKO 162/19, durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Die Beklagte kann hierzu binnen 3 Wochen Stellung nehmen.

 

Gründe

I. Der Kläger, ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zählt, nimmt die Beklagte aus Wettbewerbsrecht auf Unterlassung sowie Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten in Höhe von 178,50 EUR nebst Zinsen in Anspruch.

Hintergrund ist das Geschäftsmodell der Beklagten, welche in der aus Anlage K 6 ersichtlichen Art und Weise die Erteilung von Prüfungs- und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen per WhatsApp anbietet.

Mit Urteil vom 21. Juli 2020, Az. 406 HKO 162/19, hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es - jeweils bezogen auf die aus der Anlage K 6 ersichtliche konkrete Verletzungsform - zu unterlassen, Prüfungsunfähigkeitsbescheinigungen per Telemedizin über WhatsApp anzubieten sowie für Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen mit den aus dem Tenor ersichtlichen Angaben zu werben.

Zu den weiteren Einzelheiten und den Sachvortrag erster Instanz wird Bezug genommen auf das Urteil vom 21. Juli 2020, gegen welches die Beklagte fristgerecht Berufung eingelegt hat.

Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags macht die Beklagte geltend, dem Landgericht habe die notwendige Sachkunde gefehlt, um beurteilen zu können, ob eine zuverlässige Diagnosestellung ohne persönlichen Kontakt bzw. Videochat möglich sei. Daher habe das Landgericht nicht ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens entscheiden dürfen. Zudem liege eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, weil das Landgericht den Beklagtenvortrag, wonach der Beklagten bei über 70.000 Ferndiagnosen bisher keine Fehldiagnose gemeldet worden sei, unberücksichtigt gelassen habe.

Zu den weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 11. November 2020.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg die Klage abzuweisen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die landgerichtliche Entscheidung und meint, es fehle bereits an einer ordnungsgemäßen Berufungsbegründung, da diese sich im Wesentlichen aus Ausführungen zusammensetze, welche die Beklagte bereits im vorangegangenen Rechtsstreit der Parteien zum Az. 5 U 175/19 getätigt habe.

II. 1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts ist zulässig, insbesondere ist sie formgerecht begründet worden.

Eine Berufungsbegründung genügt den gesetzlichen Vorgaben des § 520 ZPO, wenn sie erkennen lässt, dass bzw. gegen welchen Teil der angefochtenen Entscheidung das Rechtsmittel in Weiterverfolgung des erstinstanzlichen Begehrens geführt wird. Ob die Ausführungen des Rechtsmittelführers schlüssig, hinreichend substanziiert und rechtlich haltbar sind, ist insoweit ohne Belang (BGH, NJW-RR 2012, 397, 397).

Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung, da diese sich mit der bereits erstinstanzlich thematisierten Rechtsfrage zur Zulässigkeit der Telemedizin, insbesondere in Bezug auf ärztliche Sorgfaltspflichten, befasst. Dabei handelt es sich nicht um ein abstraktes Rechtsproblem, sondern um die Anwendung des materiellen Rechts auf den konkreten Streitgegenstand.

2. In der Sache hat die Berufung der Beklagten indes offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Dem Kläger stehen die mit den Klageanträgen zu I. 1. und I.2. geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung ebenso wie der mit dem Klageantrag zu II. verfolgte Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten in Höhe von EUR 178,50 EUR nebst Verzugszinsen zu.

a) Die Unterlassungsansprüche zu I. 1. und I.2. ergeben sich aus §§ 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3, 3a UWG i.V.m. § 9 HWG.

Die streitgegenständliche Werbung der Beklagten verstößt gegen das Werbeverbot für Fernbehandlungen gemäß § 9 HWG sowohl in dessen alter als auch dessen neuer Fassung und ist damit unlauter i.S.d. § 3a UWG.

Das geltend gemachte Verbot ist auf die konkrete Verletzungshandlung der Beklagten gerichtet, deren charakteristische Merkmale im Unterlassungsantrag angegeben worden sind.

aa) Der 5. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts hat im Hinblick auf das auch vorliegend streitgegenständliche Angebot der Beklagten (vgl. Anlage K 6) mit Urteil vom 5. November 2020, Az. 5 U 175/19, (GRUR-RS 2020, Rn. 31 ff.) Folgendes ausgeführt:

"aaa. Die Beklagte ist Adressatin der Regelung des § 9 HWG, sodass sie durch ihre Werbung täterschaftlich gegen diese Vorschrift verstößt. Das Heilmittelwerbegesetz richtet sich an jeden Werbungstreibenden, das heißt an alle natürlichen oder juristischen Personen, die an der Verbreitung einer als Werbung im Sinne des Gesetzes einzustufenden Aussage beteiligt bzw. hierfür verantwortlich sind (OLG München GRUR-RR 2020, 461, 462 R...

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