Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwaltliches Verschulden bei Nichtbemerken des unterbliebenen Notierens von Berufungsbegründungsfrist

 

Leitsatz (amtlich)

Dem mit der Durchführung einer Berufung betrauten Rechtsanwalt gereicht es zum der Partei gem. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden, wenn er weder bei der erstmaligen Vorlage der Sachakte noch bei Fertigung der Berufungsschrift bemerkt, dass auf der Ausfertigung des angefochtenen Urteils entgegen der Üblichkeit weder die Berufungsbegründungsfrist noch eine Vorfrist hierfür, sondern nur Berufungsfrist und hierfür Vorfristen notiert sind, und es deswegen unbemerkt bleibt, dass auch im Fristenkalender keine Fristen für die Fertigung und Einreichung der Berufungsbegründung eingetragen sind.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 23.09.2003; Aktenzeichen 407 O 196/03)

 

Tenor

I. Der Antrag der Berufungsklägerin, ihr wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil des LG Hamburg vom 23.9.2003 – Gesch.-Nr. 407 O 196/03 – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Berufung der Berufungsklägerin gegen das Urteil des LG Hamburg, Kammer 7 für Handelssachen, vom 23.9.2003 – Gesch.-Nr. 407 O 196/03 – wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

 

Gründe

I. Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Angebote von Telekommunikationsleistungen. Die Antragstellerin verlangt von der Antragsgegnerin, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr das F-DSL zur Kennzeichnung von Dienstleistungen der Telekommunikation, insb. die Bereitstellung von Breitbandzugängen zum Internet zu benutzen. Die Antragstellerin erwirkte eine entspr. Verbotsverfügung der Zivilkammer 15 des LG Hamburg vom 15.7.2003. Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hob die Kammer 7 für Handelssachen des LG Hamburg, an die das Verfahren verwiesen worden war, die einstweilige Verfügung vom 15.7.2003 durch das angefochtene Urteil vom 23.9.2003 auf und wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück. Dieses Urteil ist den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin am 13.10.2003 zugestellt worden (Bl. 94 d.A.).

Mit per Fax am 11.11.2003 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Antragstellerin Berufung gegen das Urteil vom 13.9.2003 eingelegt (Bl. 101 d.A.). Mit bei der Berufungsklägerin am 24.12.2003 eingegangener (vgl. Bl. 117 d.A.) Verfügung des Vorsitzenden vom 19.12.2003 (Bl. 114 d.A.) ist die Berufungsklägerin darauf hingewiesen worden, dass die am Montag, den 15.12.2003 abgelaufene Berufungsbegründungsfrist versäumt worden ist.

Mit per Fax am 6.1.2004 beim Berufungsgericht eingegangenem Schriftsatz (Bl. 118 d.A.) hat die Berufungsklägerin beantragt, ihr Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist zu gewähren, und die eingelegte Berufung begründet.

Zur Rechtfertigung des Wiedereinsetzungsantrags hat die Berufungsklägerin ausgeführt, dass die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht auf einem ihr zurechenbaren Verschulden beruhe. Frau R., eine der beiden mit dem Postbearbeitungseingang betrauten Rechtsanwaltsfachangestellten, habe den Eingangsstempel („13.10.2003”) auf die Ausfertigung des Urteils gesetzt und die Berufungsfrist notiert. Anschließend habe Frau R. das Urteil in die Postverteilung gegeben, damit der Sachbearbeiter von dem Urteil Kenntnis erhalte und die anwaltliche Beratung durchführe. Frau R. habe auf dem Urteil lediglich die Berufungsfrist und die beiden Vorfristen hierfür notiert gehabt, nämlich eine Vorfrist für den 10.11.2003 und eine andere Vorfrist für den 3.11.2003. Sie habe sodann die Berufungsfrist und die beiden Vorfristen in das Fristenbuch eingetragen und dort vermerkt, dass es sich um den Ablauf der Berufungsfrist bzw. um die Vorfristen handele. Den Eintrag in das Fristenbuch habe Frau R. wiederum auf der Ausfertigung des Urteils vermerkt, indem sie zu den Fristen das Kürzel „not. MR” gesetzt habe. Dagegen habe es sowohl auf dem Urteil als auch im Fristenbuch an jeglicher Eintragung zur Berufungsbegründungsfrist gefehlt. Danach befragt, wie es zu diesem Versäumnis gekommen sei, habe Frau R. dafür keine Erklärung gehabt; denkbar sei es, dass sie während des Notierens der Berufungsfrist unterbrochen worden sei, weshalb die Berufungsbegründungsfrist dann nicht notiert worden sei. Da die Berufungsbegründungsfrist und die Vorfristen nicht in der Handakte und im Fristenbuch notiert worden seien, sei auch keine zeitgerechte Wiedervorlage der Akte erfolgt, um die Berufungsbegründung zu entwerfen bzw. fertig zu stellen. Erst aufgrund der am 24.12.2003 erfolgten Zustellung der Verfügung des Vorsitzenden vom 19.12.2003 sei den Verfahrensbevollmächtigten der Berufungsklägerin das Versäumen der rechtzeitigen Berufungsbegründung bewusst geworden. Für die Glaubhaftmachung ihres Vorbringens und dazu, wie das Fristenwesen im Büro der Verfahrensbevollmächtigten in D. organisiert sei und praktisch durchgeführt werde, sei auf die eidesstattliche Versicherung der Frau R...

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