Entscheidungsstichwort (Thema)
Testamentsauslegung: Bezugnahme auf ein formunwirksames maschinenschriftliches Testament
Leitsatz (amtlich)
Verfügt der Erblasser in seinem handschriftlichen Testament, dass die Hälfte seines Vermögens an die Erben gehen soll, die in einem anderen Testament benannt sind, das maschinenschriftlich abgefasst und deshalb formunwirksam ist, darf zur Klarstellung dessen, was der Erblasser mit seiner testamentarischen Erklärung gemeint hat, auf das von ihm ausdrücklich in Bezug genommene formunwirksame Testament gemäß den §§ 133, 2084 BGB zurückgegriffen werden. Denn Aufgabe der Testamentsauslegung ist es, den verborgenen Sinn einer testamentarischen Verfügung zu ermitteln, und zwar auch unter Heranziehung von Umständen außerhalb der Testamentsurkunde. Bietet das Testament eine - wenn auch noch so geringe - Grundlage für die Auslegung, kann dem Ergebnis der Auslegung Formnichtigkeit nicht entgegen gehalten werden.
Normenkette
BGB §§ 133, 2084, 2247
Verfahrensgang
AG Hamburg-Blankenese (Beschluss vom 05.12.2014; Aktenzeichen 571 IV 95/14) |
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des AG Hamburg-Blankenese vom 5.12.2014 wird zurückgewiesen.
Der Beteiligten zu 1. hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und den übrigen Beteiligten deren durch das Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf EUR 3.000,-- festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Beteiligte zu 1. ist der Enkelsohn der Erblasserin. Die Beteiligten zu 2. und 3. sind Schwestern des vorverstorbenen Ehemannes der Erblasserin.
Die Eheleute haben am 28.12.1979 einen Erbvertrag geschlossen, in dem u.a. die Erblasserin unter Ziffer 2)b) für den Fall, dass sie die Überlebende sein sollte, ihren Sohn H. W. als Alleinerben eingesetzt hat und als Ersatzerben dessen ehelichen Abkömmlinge.
Weiterhin haben die Eheleute sich das jederzeitige, auch nach dem Ableben des Erstversterbenden ausübbare Rücktrittsrecht von dem Vertrag u.a. hinsichtlich der Ziffer 2)b) vorbehalten.
Am 14.4.2003 errichteten die Eheleute ein maschinenschriftliches gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten und weiterhin als Erben des überlebenden Ehegatten bestimmten:
"Anteil zu 50 % des Vermögens beider Ehegatten, erhalten je zur Hälfte:
H. W.
und
D. W.
Anteil zu 50 % des Vermögens beider Ehegatten, erhalten je zu gleicher Verteilung:
G. St...
(Stirbt G. St. vor dem Tod des überlebenden Ehegatten, verteilt sich sein Anteil von ¼ auf die nachfolgend genannten).
J. Sch...
(Stirbt Frau J. Sch. vor dem Tod des überlebenden Ehegatten wird folgend als Erbe des ¼ eingesetzt:
M. A.) E. Wi.
(Stirbt Frau E. Wi. vor dem Tod des überlebenden Ehegatten wird folgend als Erbe von ¼, je zur Hälfte des Anteils eingesetzt M. Wi. M. Wi.)
Des weiteren wird als begünstigte Dritte des Anteils von ¼ benannt:
J. H.
(Stirbt Frau J. H. vor dem Tod des überlebenden Ehegatten, verteilt sich ihr Anteil auf die obig genannten G. St., Frau J. S. und E. Wi..)"
Des weiteren errichtet die Erblasserin am 1.9.2007 ein privatschriftliches Testament mit folgendem Wortlaut:
"Da mein Sohn H. W. am 7.8.2006 verstorben ist, setze ich für die Hälfte meines Vermögens meinen Enkel D. W. als Haupterben ein. Die andere Hälfte geht an die Erben die im Testament genannt sind."
Am 4.9.2014 beantragten die Beteiligten zu 2. und 3. zur Niederschrift des Nachlassgerichts Chemnitz einen Erbschein, wonach die Erblasserin beerbt worden ist von D. W. zu ½ sowie von G. St., J. S., E. Wi. und J. H. zu jeweils 1/8.
Gegen diesen Erbscheinsantrag erhob der Beteiligte zu 1. Einwände. Er bestritt, dass mit demjenigen Testament, auf das im Testament vom 1.9.2007 Bezug genommen wird, dasjenige vom 14.4.2003 gemeint sei. Außerdem könne ein formunwirksames Testament nicht durch schlichte Bezugnahme in einem formwirksamen Testament nachträglich für gültig erklärt werden.
Vorsorglich focht der Beteiligte zu 1. das Testament vom 1.9.2007 gemäß den §§ 2078, 2081 BGB wegen Irrtums über die fehlende Formwirksamkeit und die nicht eingetretenen Bindungswirkung des Testaments vom 14.4.2003 an; hätte die Erblasserin gewusst, dass das Testament vom 14.4.2003 formunwirksam ist und sie frei hätte testieren können, hätte sie ihren Enkel direkt als Alleinerben eingesetzt.
Das AG hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 5.12.2014 die für die Erteilung des von den Beteiligten zu 2. und 3. beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet.
Gegen diesen ihm am 12.12.2014 zugestellten Beschluss wendet sich der Beteiligte zu 1. mit seiner am 7.1.2015 beim AG eingegangenen Beschwerde, der das AG mit Beschluss vom 8.1.2015 nicht abgeholfen hat.
Zum Vorbringen der Beteiligten im Beschwerdeverfahren sowie zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II. Die gemäß den §§ 342 Abs. 1 Nr. 6, 58 Abs. 1, 59, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 FamFG statthafte un...