Entscheidungsstichwort (Thema)

Währungsangabe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Mahnt ein Wettbewerber die Werbeanzeige eines Konkurrenten vorgerichtlich umfassend ab und setzt er sich in diesem Rahmen detailliert mit praktisch allen Aspekten der Anzeige in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht auseinander, so kann es nach den Umständen des Einzelfalls im Rahmen von § 93 ZPO für ihn unschädlich sein, wenn er anschließend den Verfügungsantrag (auch) auf einen Aspekt stützt, der nicht Gegenstand der Abmahnung war, und der Verletzter im Hinblick hierauf den Anspruch sofort anerkennt.

2. Der Verletzer hat in einem derartigen Fall trotz dieser Abweichung von der vorgerichtlichen Abmahnung i.S.v. § 93 ZPO Anlass zur Klageerhebung gegeben, wenn der Verletzte die konkrete Werbebehauptung in der vorgerichtlichen Abmahnung zwar rechtlich gewürdigt, dabei aber nicht zugleich aus einem (offensichtlichen) Schreibfehler, der die Werbeaussage missverständlich macht, rechtliche Konsequenzen gezogen hat. Nimmt der Verletzer nunmehr ausschließlich diesen übersehenen Aspekt zum Anlass für ein Anerkenntnis, handelt er entgegen § 242 BGB im Rahmen des begründeten gesetzlichen Schuldverhältnisses treuwidrig bzw. rechtsmissbräuchlich.

 

Normenkette

ZPO § 93

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 20.09.2005; Aktenzeichen 407 O 139/05)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 20.4.2006 gegen das Kostenurteil des LG Hamburg vom 20.9.2005 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens beläuft sich auf die Summe der in erster Instanz entstandenen Kosten.

 

Gründe

Die gem. § 99 Abs. 2 ZPO analog zulässige sofortige Beschwerde ist in der Sache unbegründet. Das LG hat der Antragsgegnerin zu Recht in vollem Umfang die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Ihr kommt die Kostenfolge aus § 93 ZPO nicht zu Gute.

1. Die sofortige Beschwerde ist statthaft. Es entspricht ständiger Rechtsprechung der Senate für Gewerblichen Rechtsschutz des Hanseatischen OLG, dass die auf einem Kostenwiderspruch ergehenden erstinstanzlichen Urteile dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde analog § 99 Abs. 2 ZPO unterliegen. Diese Rechtsauffassung entspricht auch im Übrigen - jedenfalls für den Bereich des Gewerblichen Rechtsschutzes - praktisch einhelliger Auffassung (Teplitzky, 8. Aufl., § 55 Rz. 13, m.w.N.). An dieser Auffassung hält der Senat unbeschadet der von der Antragstellerin zitierten Gegenstimmen fest. Die sofortige Beschwerde ist auch zulässig. Sie ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen eingelegt worden, nachdem der Antragsgegnerin die erstinstanzliche Entscheidung am 10.4.2006 zugestellt worden ist.

2. Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die Antragsgegnerin hat durch ihr vorprozessuales Verhalten der Antragstellerin Veranlassung zur Klageerhebung gegeben. Dementsprechend kann sie trotz ihres sofortigen Anerkenntnisses im Rahmen des vorliegenden Verfügungsverfahrens die Kostenwohltat aus § 93 ZPO nicht für sich in Anspruch nehmen. Das LG hat die Kosten des Verfahrens zu Recht vollständig der Antragsgegnerin auferlegt.

a) Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die vorgerichtliche Abmahnung der Antragstellerin vom 13.5.2005 denjenigen Aspekt einer Irreführung bzw. Wettbewerbswidrigkeit nicht umfasst, den die Antragsgegnerin zum Anlass genommen hat, mit ihrem Schriftsatz vom 27.7.2005 die einstweilige Verfügung des LG vom 14.6.2005 anzuerkennen und ihren Widerspruch auf die Kosten zu beschränken. Es entspricht ebenfalls ständiger Rechtsprechung des Senats, dass der Gläubiger in der Regel gehalten ist, den Schuldner vorprozessual wegen aller maßgeblichen Aspekte des wettbewerbswidrigen Verhaltens abzumahnen, wenn er nicht Gefahr laufen will, dass der Schuldner sich durch ein sofortiges Anerkenntnis i.S.v. § 93 ZPO der Kostenlast entzieht. Es ist zudem in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Gläubiger, der ein wettbewerbswidriges Verhalten (nur) unter einem bestimmten rechtlichen Gesichtspunkt (z.B.: nach ZugabeVO) abmahnt, die Kosten zu tragen hat, wenn der Schuldner im Rechtsstreit den Anspruch unter einem anderen - ebenfalls verwirklichten - rechtlichen Aspekt anerkennt (z.B.: nach UWG), der nicht Gegenstand der Abmahnung war (OLG Stuttgart NJW-WettbR 1997, 246 [247]). Gleichwohl muss sich der Senat aus Anlass des vorliegenden Rechtsstreits nicht mit der von den Parteien streitig erörterten Frage auseinander setzen, ob es sich bei dem von der Gläubigerin abgemahnten und dem von der Schuldnerin anerkannten Verhalten um unterschiedliche Streitgegenstände gehandelt hat. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen.

b) Die im Rahmen von § 93 ZPO zu treffende Entscheidung, ob der Schuldner durch sein Verhalten "zur Erhebung der Klageveranlassung gegeben" hat, bestimmt sich nicht nach eindeutig gesetzlich definierten, für alle Fälle geltenden Tatbestandsvoraussetzungen. Die Entscheidung hat vielmehr stets das Ergebnis einer wertenden Betrachtung zu sein, die sich als Gesamtschau aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls d...

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