Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 330 O 330/16)

 

Tenor

1. Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

2. Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf EUR 8.931,21 festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Verfügungsbeklagte betrieb auf dem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück in der ... in ... Hamburg eine Seniorenresidenz als stationäre Pflegeeinrichtung. Die am 25.04.1931 geborene Verfügungsklägerin ist pflegebedürftig und lebte aufgrund eines Wohn- und Betreuungsvertrages vom 16.12.2013 (Anlage ASt 1) in der von der Verfügungsbeklagten betriebenen Seniorenresidenz ... Sie ist in körperlich stabiler Verfassung mit Einschränkungen aufgrund ihrer Demenzerkrankung beim Gehvermögen, der Orientierung sowie der Mobilität. Mit Schreiben vom 22.06.2016 (Anlage ASt 2) erklärte die Verfügungsbeklagte die Kündigung des Wohn- und Betreuungsvertrages mit der Begründung einer geplanten Betriebseinstellung der Seniorenresidenz zum 31.08.2016. Die Verfügungsbeklagte kündigte zudem die Verträge mit den Pflegekassen und beendete die Arbeitsverträge mit dem Pflege personal.

Am 14.07.2016 hat die Verfügungsklägerin beim LG Hamburg einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt mit dem Ziel, der Verfügungsbeklagten aufzugeben, bis zur Entscheidung in der Hauptsache sämtliche Leistungen des Wohn- und Betreuungsvertrages vereinbarungsgemäß zu erbringen, insbesondere auch ab dem 01.09.2016, sowie es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis EUR 70.000,00 es zu unterlassen, Maßnahmen durchzuführen, die geeignet sind, die Beendigung des Betriebs der Seniorenresidenz vorzubereiten, durchzusetzen oder zu fördern. Sie hat geltend gemacht, dass die Kündigung vom 22.06.2016 formell und materiell rechtswidrig sei. Werde das Heim zum 31.08.2016 geschlossen, so erleide die Verfügungsklägerin einen irreparablen Verlust, weil sie ihrem sozialen Umfeld entrissen werde und ihr Lebensmittelpunkt verlogen gehe. Dies überwiege das wirtschaftliche Interesse der Verfügungsbeklagten an der Betriebseinstellung und Verwertung ihres Grundstücks.

Nach mündlicher Verhandlung hat das LG mit Urteil vom 18.08.2016 (den Parteien zugestellt am 22.08.2016) der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung geboten, die Leistungen aus dem Wohn- und Betreuungsvertrag vom 16.12.2013 gegenüber der Verfügungsklägerin auch im Zeitraum vom 01.09.2016 bis 30.11.2016 zu erbringen. Den weiter gehenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat das LG zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat das LG gegeneinander aufgehoben. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, dass die Kündigung des Vertrages durch die Verfügungsbeklagte am 22.06.2016 aus wichtigem Grund der Betriebseinstellung im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 1, 3 Nr. 3 WBVG rechtmäßig und formell sowie materiell wirksam erfolgt sei. Die Verfügungsklägerin habe jedoch gegen die Verfügungsbeklagte aus nachvertraglichen Fürsorgepflichten einen Anspruch auf Fortsetzung der Pflege- und Betreuungsleistungen bis zum 30.11.2016.

Gegen dieses Urteil hat die Verfügungsbeklagte am 24.08.2016 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die Rechtsansicht des LG, dass nachvertragliche Fürsorgepflichten trotz einer formell und materiell wirksamen Kündigung des Wohn- und Betreuungsvertrages in der Weise bestünden, dass die Leistungen aus dem Wohn- und Betreuungsvertrag bis zum 30.11.2016 fortgesetzt werden müssten, falsch sei. Würde man eine so weitreichende nachvertragliche Fürsorgepflicht annehmen, würde die in § 12 Abs. 4 Satz 2 WBVG benannte Kündigungsfrist unterlaufen werden. Bei den nach Ende eines Vertrages nachwirkenden Pflichten handele es sich nicht mehr um (Haupt-) Leistungspflichten, sondern um Unterlassungs-, Mitteilungs- und Aufklärungspflichten. Außerdem habe es für die Sicherungsanordnung aufgrund einer einstweiligen Anordnung weder einen rechtlichen noch einen tatsächlichen Bedarf gegeben, da zum Kündigungszeitpunkt nicht ausziehende Bewohner nicht schutzlos gestellt würden. Der Betreiber dürfe die Bewohner nicht im Wege der "verbotenen Eigenmacht" zum Auszug zwingen, sondern müsse zunächst eine Räumungsklage nach § 721 ZPO erheben.

Nachdem die Verfügungsklägerin am 29.08.2016 in die Seniorenwohnanlage umgezogen ist, haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

II. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war über die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Danach sind die gesamten Kosten des Rechtsstreits der Klägerin aufzuerlegen, weil aufgrund des bisherigen Sachvortrags der Parteien davon auszugehen ist, dass kein Verfügungsanspruch der Verfügungsklägerin bestand und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung in vollem Unfang hätte zurückgewiesen werden müssen.

1. Das LG hat zutreffend entschieden, dass die Kündigung des Wohn- und Betreuungsvert...

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