Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 315 O 163/21) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 16.07.2021, Az. 315 O 163/21, zu Ziffer III. abgeändert.
Der Streitwert für das Anordnungsverfahren wird auf insgesamt 300.000,- EUR festgesetzt.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
3. Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 23.08.2021 gegen die Streitwertfestsetzung des Landgerichts Hamburg im Beschluss vom 16.07.2021, dort Ziffer III., ist gemäß §§ 68 Abs. 1, 63 Abs. 3 S. 2 GKG zulässig. Die Antragsgegnerin ist trotz des gleichzeitig eingelegten Kostenwiderspruchs, über den noch nicht entschieden ist, beschwert. Da sich die geschuldeten Gebühren nach dem Streitwert richten und der für die Gerichtsgebühren gerichtlich festgesetzte Wert auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend ist (§ 32 Abs. 1 RVG), ist die Antragsgegnerin unabhängig vom Ausgang des Widerspruchsverfahrens durch eine zu hohe Streitwertfestsetzung beschwert (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 2016, 763 Rn. 5).
II. Die Streitwertbeschwerde der Antragsgegnerin hat im tenorierten Umfang Erfolg; im Übrigen unterliegt sie der Zurückweisung. Das Landgericht hat die Wertangabe der Antragstellerin in der Abmahnung vom 22.06.2021 (Anlage Ast 15) mit insgesamt 250.000,- EUR untergewichtet, während dieser Angabe im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren nach Ansicht des Senats eine größere Bedeutung für die Streitwertbemessung zukommt.
1. Zunächst ist das Landgericht bei der Wertfestsetzung für die streitgegenständlichen markenrechtlichen Anträge von den Grundsätzen ausgegangen, die auch die für das Markenrecht zuständigen Senate des Hanseatischen Oberlandesgerichts in ständiger Rechtsprechung der Streitwertbestimmung zugrunde legen. Entscheidend ist stets die Einzelfallbewertung. Das Unterlassungsinteresse der klagenden Partei wird maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit für die Träger der maßgeblichen Interessen, bestimmt (BGH GRUR 1990, 1052, 1053 - Streitwertbemessung; Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 142 Rn. 2). Der Streitwert für Unterlassungsanträge auf dem Gebiet des Kennzeichenrechts richtet sich dabei nach dem wirtschaftlichen Interesse, das der in seinem Kennzeichenrecht Verletzte an zukünftiger Unterlassung vernünftigerweise geltend machen kann. Dieses wird durch zwei Faktoren bestimmt, nämlich erstens den wirtschaftlichen Wert des verletzten Kennzeichenrechts und zweitens durch den Angriffsfaktor, d.h. das Ausmaß und die Gefährlichkeit der Verletzung (st. Rspr. des Senats, vgl. zuletzt Beschluss vom 12.10.2021 - 5 W 46/21, nicht veröffentlicht; vgl. auch OLG Hamburg GRUR-RR 2020, 304 Rn. 40 - HD+; OLG Frankfurt GRUR-RR 2020, 559 Rn. 16 - Daytona 365). Die Werte mehrerer Streitgegenstände sind gemäß § 39 Abs. 1 GKG grundsätzlich zusammenzurechnen. Schließlich ist im einstweiligen Verfügungsverfahren nach allgemeinen Grundsätzen regelmäßig eine angemessene Reduzierung des in einem Hauptsacheverfahren anzusetzenden Streitwerts vorzunehmen, um dem Charakter dieses Verfahrens hinreichend Rechnung zu tragen, auch wenn § 51 Abs. 4 GKG nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss vom 12.10.2021 - 5 W 46/21, nicht veröffentlicht) wegen seines eindeutigen Wortlauts in Streitigkeiten nach dem Markengesetz keine unmittelbare Anwendung finden kann.
2. Diese vorgenannten Grundsätze hat das Landgericht berücksichtigt. Jedoch kommt auch der Streitwertangabe der Antragstellerin zu Beginn eine indizielle Bedeutung zu (OLG Hamburg BeckRS 2016, 8696; Gruber in BeckOK Markenrecht, Kur/v. Bomhard/Albrecht, 27. Ed., § 142 Rn. 8; Zöllner in Cepl/Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2. Aufl., § 3 Rn. 20; zum UWG: Ahrens in Büscher, UWG, 2. Aufl., § 12 Rn. 442; OLG Hamburg BeckRS 2017, 138659 Rn. 2). Dies gilt ebenfalls für die Streitwertangabe in der vorgerichtlichen Abmahnung (OLG Hamburg BeckRS 2016, 8696; zum UWG: Ahrens in Büscher, UWG, 2. Aufl., § 12 Rn. 442). Da die Abmahnung auf die Verschaffung eines endgültigen Titels gerichtet ist, entspricht der Gegenstandswert dem des Hauptsacheverfahrens (Zöllner in Cepl/Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2. Aufl., § 3 Rn. 19). Das Gericht darf aber die Angaben nicht unbesehen übernehmen, sondern hat sie anhand der objektiven Gegebenheiten und unter Heranziehung seiner Erfahrung und üblicher Wertfestsetzungen in gleichartigen oder ähnlichen Fällen in vollem Umfang selbständig nachzuprüfen (vgl. zum UWG: Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 12 Rn. 4.3a).
3. Hiernach ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin im vorgerichtlichen Abmahnschreiben vom 22.06.2021, das ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 30.06.2021 vorausgegangen ist, einen Gesamtwert des verfolgten Unterlassungsbegehrens ...