Leitsatz (amtlich)

Tritt einer der in Nr. 1211 KV GKG genannten Ermäßigungstatbestände nur für einen oder mehrere Kläger eines verbundenen Verfahrens ein, so orientiert sich die Frage danach, ob im Sinne der genannten Vorschrift das "gesamte Verfahren" beendigt wird, jedenfalls wegen der vor der Verbindung entstandenen und durch die Verbindung nicht angetasteten Gebühren nach Nr. 1210 KV GKG nicht an dem durch die Verfahrensverbindung erstmals geschaffenen Gesamtverfahren, sondern allein an dem einzelnen vor der Verbindung begründeten Prozessrechtsverhältnis, durch das die Gebühren begründet worden sind.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Beschluss vom 16.08.2010; Aktenzeichen 419 O 106/07)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers zu 7. vom 2.9.2010 wird der Beschluss des LG Hamburg, Kammer 19 für Handelssachen, vom 16.8.2010 in der Fassung des Beschlusses vom 8.10.2010 abgeändert.

Die von dem Kläger zu 7. an die Staatskasse zu zahlenden Gerichtsgebühren werden vorbehaltlich anzurechnender und dem Kläger zu 7. gutzubringender Vorauszahlungen auf 4.359 EUR festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die Beschwerde ist gem. § 66 Abs. 2 und 3 GKG zulässig und in dem aus dem Tenor des Beschlusses ersichtlichen Umfang begründet. Das LG hat dem Kläger zu 7. auf der Grundlage des Beschlusses des Hanseatischen OLG vom 27.5.2010 anteilige Gerichtskosten auferlegt, die tatsächlich nicht entstanden sind. Entgegen dem Kostenansatz vom 17.6.2009 (Kostenrechnung vom 18.6.2009) sind nicht insgesamt Gerichtskosten i.H.v. EUR 74.544,00, sondern lediglich solche i.H.v. EUR 30.460 entstanden, von denen die dem Vergleich vom 19.10.2007 Beigetretene einen Betrag i.H.v. EUR 21.742 zu zahlen hat, so dass auf den Kläger zu 7. lediglich 50 % der restlichen Gerichtskosten, mithin EUR 4.359 entfallen.

Zu Recht greift der Kläger zu 7. die Annahme an, die vor der Verbindung der acht Rechtsstreitigkeiten entstandenen Gerichtskosten hätten sich sämtlich deswegen nicht nach KV Nr. 1211 GKG auf eine 1,0 Gebühr reduziert, weil der nach Verbindung der acht Anfechtungsklagen entstandene eine Rechtsstreit durch den Vergleich vom 19.10.2007 nicht vollständig beendet worden sei, nachdem der Kläger zu 7. und der Nebenintervenient zu 1. ihn fortgeführt hätten, so dass eine Ermäßigung der bis zur Verbindung bereits entstandenen Gerichtskosten nach KV Nr. 1211 GKG nicht in Betracht komme. Dem kann nicht gefolgt werden.

Zwar tritt eine Ermäßigung nach KV 1211 grundsätzlich nur dann ein, wenn das Prozessverfahren wegen sämtlicher Anträge und wegen aller Beteiligten insgesamt beendet wird (Nr. 1211 KV: Beendigung des gesamten Verfahrens ...); ansonsten bleibt die Gebühr nach KV 1210 GKG bestehen (Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., Rz. 3 zu KV 1211 GKG m.w.N.). Eine Prozessverbindung nach §§ 147 ZPO, 246 Abs. 3 Satz 6 AktG führt auch dazu, dass die zuvor einzelnen Verfahren zu einem einzigen Verfahren verschmelzen, weshalb angenommen werden könnte, dass die Vorschrift der Nr. 1211 KV GKG, wenn dort von der Beendigung des gesamten Verfahrens die Rede ist, auf das nach Verbindung durch Verschmelzung entstandene eine Verfahren abstellt.

Das steht indes nicht im Einklang mit dem Umstand, dass - worauf das LG und der angegriffene Kostenansatz ausgegangen sind - die vor der Verbindung entstandenen Gebühren bestehen bleiben und keine neue Kostenberechnung nach einem nach der Verbindung entstandenen Streitwert stattfindet. Letzteres ist einhellige Auffassung (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., Rz. 10 zu § 147 ZPO m.w.N.; Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., Rz. 3 zu § 40 GKG; Meyer, GKG, 10. Aufl. Rz. 10 zu § 45 GKG; Oestreich/Hellstab/Trenkle, GKG-FamGKG, Rz. 7 zu § 32 GKG und Rz. 31 zu Nr. 1211 KV GKG) und gilt auch dann, wenn eine Verbindung - etwa nach § 246 Abs. 3 AktG - zwingend vorgeschrieben ist (Meyer, a.a.O.; OLG Koblenz MDR 2005, 1017). Das steht mit dem Umstand im Einklang, dass der Veranlasser des Verfahrens Schuldner der dadurch entstandenen Kosten, also auch der vor der Verbindung bereits entstandenen Kosten seiner jeweiligen Klage ist. Insoweit besteht wegen der vor der Verbindung angefallenen Gebühren keine gesamtschuldnerische Haftung (Oe/He/Tr, a.a.O., Rz. 7 zu § 32 GKG).

Ist dem so, dann kann aber auch nicht jeder einzelne Kläger durch die Verbindung in die Haftung für die vor der Verbindung entstandenen und nicht von ihm, sondern durch die Klag-erhebung weiterer Kläger veranlassten Gebühren genommen werden. Bleibt die Verfahrensverbindung für die bereits vor der Verbindung entstandenen Gebühren ohne Einfluss, so kann nur das vor der Verbindung begründete Rechtsverhältnis Gegenstand der Betrachtung des Eingreifens eines Ermäßigungstatbestandes nach Nr. 1211 KV GKG sein. Gerade im vorliegenden Fall verbundener Anfechtungsprozesse nach § 246 AktG, bei denen die Verbindung auch einer großen Zahl einzelner Prozesse mit 50, 100 oder mehr Klägern ohne weiteres vorkommt, würde ansonsten dem einze...

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