Leitsatz (amtlich)

Werden im Vorfeld zur Hauptverhandlung im Bußgeldverfahren Gespräche über eine Totaleinstellung des Verfahrens nach § 47 Abs. 2 OWiG geführt, erweisen sich diese nicht als mitteilungspflichtige verständigungsbezogene Erörterungen, wenn nur eine Tat im prozessualen Sinne und ein einziger hierdurch verwirklichter Bußgeldtatbestand in Rede stehen.

 

Normenkette

OWiG § 46 Abs. 1, § 78 Abs. 2; StPO §§ 212, 243 Abs. 4 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Hamburg (Entscheidung vom 11.08.2014)

 

Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg, Abteilung 259 für Bußgeldsachen, vom 11. August 2014 wird als unbegründet verworfen (§ 79 Abs. 3 OWiG i. V. m. § 349 Abs. 2 StPO).

2. Die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen die mit demselben Urteil getroffene Kosten- und Auslagenentscheidung wird als unbegründet verworfen.

3. Die Kosten beider Rechtsmittelverfahren trägt der Betroffene.

 

Gründe

I.

Gegen den Betroffenen erging am 13. April 2012 ein Bußgeldbescheid wegen fahrlässigen Führens eines "Kraftfahrzeugs unter Wirkung eines berauschenden Mittels ... § 24a Abs. 2, 3, § 25 StVG, Nr. 242 BKat, § 4 Abs. 3 BKatV". Mit diesem wurde eine Geldbuße in Höhe von € 500 festgesetzt sowie ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Auf seinen Einspruch hin - und im Anschluss an zwei Aufhebungen und Zurückverweisungen durch den Senat auf Rechtsbeschwerden des Betroffenen hin - erkannte schließlich das Amtsgericht Hamburg mit dem in der Beschlussformel benannten Urteil wegen "fahrlässigen Führens eines Kfz unter Wirkung eines berauschenden Mittels (Cannabis)" auf eine Geldbuße von € 500. Von der Verhängung eines Fahrverbotes sah es ab und legte ihm zwei Drittel der Kosten sowie seiner notwendigen Auslagen auf. Hiergegen hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt und - mit der ebenfalls eingelegten sofortigen Beschwerde - die Kosten- und Auslagenentscheidung beanstandet.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

1. Die Verfahrensrügen bleiben aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 17. November 2014 ohne Erfolg. Der näheren Erörterung bedarf nur die beanstandete Verletzung von Mitteilungspflichten nach § 46 Abs. 1, § 78 Abs. 2 Halbsatz 1 OWiG i.V.m. § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO.

a) Der Rüge liegt im Wesentlichen folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Die Vorsitzende schrieb unter dem 18. März 2014 an die Staatsanwaltschaft und übermittelte - namentlich unter Hinweis auf die lange zurückliegende Tatzeit - ihre "Bitte um Zustimmung zur Verfahrenseinstellung gemäß § 47 Abs. 2 OWiG". Dem entsprach die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 22. April 2014 unter der Bedingung, dass "der Betroffene seine notwendigen Auslagen selbst zu tragen hat". Sodann teilte die Vorsitzende dem Verteidiger fernmündlich ihre Absicht mit, das Verfahren nach § 47 Abs. 2 OWiG mit der von der Staatsanwaltschaft beantragten Kostenfolge einzustellen. Der Verteidiger bat zunächst um die Möglichkeit zur Rücksprache mit seinem Mandanten, lehnte eine Einstellung unter Auferlegung der Kostenlast jedoch wenige Tage später im Namen des Betroffenen ab. Im selben Telefonat bot die Vorsitzende sodann dem Verteidiger an, dass Verfahren gegen eine "Kostenregelung 2/3 zu Lasten des Betroffenen" einzustellen. Auch dies lehnte der Verteidiger sogleich ab. Im Rahmen Hauptverhandlung teilte die Vorsitzende weder den Schriftwechsel mit der Staatsanwaltschaft noch die geführten Telefonate mit.

Hierin erblickt die Rechtsbeschwerde einen Verstoß gegen § 46 Abs. 1, § 78 Abs. 2 Halbsatz 1 OWiG i.V.m. § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO und qualifiziert die vorgetragenen Gespräche zwischen den Verfahrensbeteiligten als "Verständigungsgespräche".

b) Der Senat kann dahin stehen lassen, ob sämtliche rügebegründenden Tatsachen vollständig vorgetragen worden sind (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Denn schon der mangels einer - gerade im Verständigungskontext regelmäßig unentbehrlichen - dienstlichen Äußerung der Vorsitzenden (vgl. hierzu KK-StPO/Moldenhauer/Wenske, 7. Aufl., § 257c Rn. 70) als wahr zu unterstellende Rügevortrag des Beschwerdeführers (vgl. nur HansOLG Hamburg, Beschl. v. 5. August 2014 - 1 - 27/14 (Rev), BeckRS 2014 15851, insoweit in NStZ 2014, 534 nicht abgedruckt) trägt den geltend gemachten Rechtsfehler nicht, sodass die Rüge jedenfalls unbegründet ist.

aa) Nach § 46 Abs. 1, § 78 Abs. 2 Halbsatz 1 OWiG i.V.m. § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO teilt der Vorsitzende mit, wenn eine Erörterung stattgefunden hat, deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist und "wenn ja, deren wesentlichen Inhalt". Auch im Bußgeldverfahren sollen unter - freilich modifizierter (vgl. etwa § 78 Abs. 2 OWiG) - Anwendung der Regelungen des Verständigungsgesetzes durchgeführte Erörterungen stets in öffentlicher Hauptverhandlung zur Sprache kommen (vgl. BVerfG [Kammer], Beschl. v. 26. August 2014 - 2 BvR 2400/13, NJW 2014, 3504 f.), so dass für informelles und unkontrollierbares...

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