Leitsatz (amtlich)
Eine sog. Verdachtsberichterstattung ist jedenfalls dann unzulässig, wenn sie auf unzureichender Recherche beruht und insgesamt unausgewogen ist.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 30.06.2008; Aktenzeichen 324 O 421/08) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des LG Hamburg, Zivilkammer 24, vom 30.6.2008 - 324 O 421/08 - abgeändert.
Im Wege der einstweiligen Verfügung - der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung - wird der Antragsgegnerin bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 EUR; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) verboten, die Behauptung der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik in Bezug auf Dokumente der Stasi- Unterlagenbehörde, bei denen es u.a. um ein Gespräch zwischen Robert Havemann und Dr. G. G. als seinem Anwalt geht, zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:
"in diesem Fall ist willentlich und wissentlich an die Stasi berichtet worden, und zwar von G. G. über Robert Havemann."
II. Die Kosten des Verfahrens fallen der Antragsgegnerin nach einem Wert von 50.000 EUR zur Last.
Gründe
Die gem. § 567 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet.
Dem Antragsteller steht ein Unterlassungsanspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1, 2 Abs. 1 GG, § 1004 analog BGB zu, da die Verbreitung des beanstandeten Zitats von Frau Birthler ihn bei bestehender Wiederholungsgefahr in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.
1. Die zitierte Äußerung Frau Birthlers folgt unmittelbar nach der Einblendung und Verlesung von Teilen eines Berichts vom 10.7.1979 über ein geführtes Gespräch mit Robert Havemann. Ihre Äußerung wird mit den Worten "in diesem Fall" auf diesen Bericht bezogen.
Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass die Behauptung, er habe mit diesem Bericht willentlich und wissentlich an die Stasi berichtet, nicht der Wahrheit entspricht. In seiner eidesstattlichen Versicherung hat er hierzu erklärt, dass das Dokument inhaltlich Auszüge aus einem Vermerk enthalte, den er nach einem Gespräch mit Robert Havemann für seine Handakten diktiert habe. Er gehe davon aus, dass sich die Staatssicherheit den Aktenvermerk oder Teile daraus oder auch die von ihm diktierte Kassette verschafft habe, um den Bericht zu fertigen. Dass es damals im Büro des Antragstellers Personen gab, die IMs oder Kontaktpersonen zur Staatssicherheit waren und dieser Dokumente wie das genannte lieferten, bestätigt in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 30.5.2008 der damalige stellvertretende Abteilungsleiter der Abt. XX/OG des Ministeriums für Staatsicherheit L., dem seinerzeit die Aufklärung der Aktivitäten Havemanns oblag. Darüber hinaus versichert L. an Eides statt, dass er unter der Legende eines Vertreters der Generalstaatsanwaltschaft an den Antragsteller herangetreten sei, um festzustellen, ob dieser für eine Zusammenarbeit zu gewinnen gewesen sei. Dabei sei er zu einem negativen Ergebnis gelangt. Es habe sogar Anhaltspunkte für eine "feindliche Instrumentalisierung" des Antragstellers gegeben, was zur Einleitung einer Operativen Personenkontrolle geführt habe. Diese Aussage steht in Einklang mit den als Anlagen ASt 9 und Ast 17 eingereichten Aktenbestandteilen vom 14.8.1986 und vom 18.9.1986.
2. Die Verbreitung der Äußerung ist auch nicht deshalb zulässig, weil sie Teil einer Verdachtsberichterstattung ist. Auch wenn im Hinblick auf die herausragende Position des Antragstellers als Fraktionschef der Partei "Die Linke" im Bundestag ein großes Informationsinteresse an der Mitteilung eines derartigen Verdachts besteht, ist die hier vorliegende Berichterstattung unter Verbreitung des beanstandeten Zitats unzulässig, weil sie auf einer unzureichenden Recherche beruht und insgesamt unausgewogen ist.
a) Der Beitrag beruht auf Dokumenten aus den Akten der Hauptabteilung XX des MfS vom 10.7.1979 (Anlage 3,5 der Antragsgegnerin) und vom 5.10.1979 (Anlage 8,9 der Antragsgegnerin), aus denen kurz einzelne Passagen im Bild gezeigt werden. Diese beiden Dokumente betreffen zwei unterschiedliche Treffen des Antragstellers mit Robert Havemann. Sie sind stilistisch insofern verschieden, als das Dokument vom 10.7.79 in "ich-Form" verfasst wurde, während der Verfasser des Dokuments vom 5.10.1979 sich selbst nicht in den Bericht einbezieht und über den Antragsteller unter voller Namensnennung berichtet.
Der Beitrag befasst sich, wie eingangs mitgeteilt, mit einem Treffen, an dem 4 Personen teilgenommen haben sollen, was tatsächlich nur bei der Zusammenkunft vom 3.10.1979 der Fall war. Hierauf bezieht sich ausdrücklich die erste Einblendung, die Frau Birthler zeigt.
Dennoch wird alsdann das Dokument vom 10.7.1979 teilweise eingeblendet, welches mit dem ursprünglich bezeich...