Leitsatz (amtlich)
1. Entzieht oder verweigert ein sozialmächtiger Boxverband einem Berufsboxer aus gesundheitlichen Gründen die Lizenz zur berufsmäßigen Ausübung seines Sportes, ist diese Maßnahme wie eine disziplinarische Maßnahme vollständig auf ihre Billigkeit gerichtlich nachprüfbar.
2. Knüpfen sowohl die Berechtigung zur Lizenzentziehung wie die Befugnis zur Verweigerung der Starterlaubnis nach der Verbandssatzung daran an, dass eine gesundheitliche Gefährdung des Sportlers zu befürchten ist, gilt der Maßstab - das Vorliegen medizinischer Bedenken - für beide Lizenzbereiche gleichermaßen.
3. Die Erteilung der Starterlaubnis ist die für die Gesundheit des Sportlers und das Ansehen des Sports in der Öffentlichkeit gefahrgeneigtere Entscheidung. Mit der Starterlaubnis wird zum einen die Schwelle von der abstrakten zur konkreten Gefahr überschritten und zum anderen dem Verband die Möglichkeit an die Hand gegeben, einen im Kern gesunden Sportlers - hier eines Berufsboxers - vor einer Gefährdung durch einen ungleichen Kampf zu bewahren. Daher ist die Versagung der Starterlaubnis das gegenüber dem allgemeinen Lizenzentzug mildere Mittel.
4. Der sich aus der Vereinssatzung ergebende Begriff der "medizinischen Bedenken" meint solche Risiken, die über das im Boxsport ohnehin übliche Maß gesundheitlicher Gefahren hinausgehen und daher im wohlverstandenen Interesse des betroffenen Mitglieds sowie des Vereins insgesamt nicht hinnehmbar sind. Je größer der drohende gesundheitliche Schaden ist, umso geringere Anforderungen sind hierbei an die Schadenswahrscheinlichkeit zu stellen. Es handelt sich hierbei um eine Prognoseentscheidung.
5. Im Rahmen der an dem Maßstab von Treu und Glauben (§ 242 BGB) orientierten Billigkeitsprüfung kommt es darauf an, ob die Verweigerung der Starterlaubnis die durch Art. 12 Abs. 1 GG gezogenen Grenzen der Berufsfreiheit wahrt. Für den Verband streitet sein gemäß Art. 9 Abs. 1 GG geschütztes Recht auf eine autonome, dem Vereinszweck angemessene Gestaltung der vereinsinternen Regeln zur Lizenzierung von Berufsboxern.
6. Diese Grundsätze gelten auch für etwaige kartellrechtliche Ansprüche.
Normenkette
BGB §§ 242, 280 Abs. 1, § 823 Abs. 1, § 826; GG Art. 9 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1; GWB § 19 Abs. 1, § 33 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 01.09.2017; Aktenzeichen 315 O 258/08) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts vom 1. September 2017 - Az. 315 O 258/08 - wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem jeweiligen Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten, soweit für das vorliegende Berufungsverfahren noch von Bedeutung, um Ansprüche des Beklagten und Widerklägers wegen des Entzugs der allgemeinen Boxlizenz durch den Kläger, der Versagung von Startlizenzen in drei Fällen und der Aberkennung des Titels "Deutscher Meister im Schwergewicht".
Der Kläger und Widerbeklagte ist der Bund D e.V. (BDB, nachfolgend: "Kläger" genannt). Gemäß Art. 2 Abs. 1 der Satzung des Klägers ist dieser oberstes Kontrollorgan des gesamten deutschen Berufsboxsports (Satzung Anlage B 1). Verbandsorgane des Klägers sind der Vorstand, die Generalversammlung und der Berufungsausschuss. Nach Art. 3 seiner Satzung gibt sich der Kläger Durchführungsbestimmungen u.a. in der Form von "Sportlichen Regeln" (Anlage K 1). Diese "Sportlichen Regeln" (im Folgenden: "SportlR") befassen sich in §§ 3 Abs. 1 und 24 Abs. 3 u.a. mit Lizenzerteilung und -entzug.
In § 3 Abs. 1 SportlReg ist geregelt:
"Berufsboxer, deren Fähigkeiten nicht mehr den Leistungsanforderungen entsprechen, die man billigerweise an einen Berufsboxer stellt, und bei denen aufgrund dessen eine gesundheitliche Gefährdung zu befürchten ist, haben sich auf Anordnung des BDB einer vertrauensärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Ergeben sich in dieser Untersuchung medizinische Bedenken, kann die Lizenz des Boxers für gewisse Zeit oder auf Dauer entzogen werden".
§ 4 SportlReg regelt die "Startlizenzen für Berufsboxer". § 4 Abs. 3 SportlReg lautet:
"Der BDB ist berechtigt, die Starterlaubnis zu verweigern. Dieses kann insbesondere geschehen, wenn eine gesundheitliche Gefährdung des Boxers zu befürchten ist oder aber eine zu große sportliche Überlegenheit des Gegners gegeben ist."
In § 24 Abs. 2 und 3 SportlReg sind die Folgen eines Kampfabbruches geregelt:
"(2) Jeder Boxer, der auf diese Art oder durch KO aufgrund von Kopftreffern einen Kampf verloren hat, muss eine Zwangspause von drei Monaten absolvieren. Jeder Boxer, der durch TKO aufgrund von Kopftreffern einen Kampf verloren hat, muss ...