Entscheidungsstichwort (Thema)
Allgemeines Persönlichkeitsrecht: Identifizierende Berichterstattung über einen prominenten Jugendlichen
Leitsatz (amtlich)
Die identifizierende Berichterstattung über das strafbare Verhalten eines Jugendlichen ist auch dann unzulässig, wenn dieser als Nachwuchsschauspieler und -sänger eine gewisse Prominenz erlangt hat und bestrebt ist, diese kommerziell zu nutzen. Auch wenn der Jugendliche als Nachwuchskünstler die Öffentlichkeit sucht und Erfahrungen im Umgang mit den Medien haben mag, schränkt sein öffentliches Auftreten seinen Anonymitätsschutz gegen identifizierende Berichterstattung nicht ein. Das Gewicht des Informationsinteresses verringert sich zudem dadurch, dass die Berichterstattung lediglich ein übermütiges Verhalten von Jugendlichen und Heranwachsenden zum Gegenstand hatte und relativ bedeutungslose, alltägliche Straftaten betraf.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 S. 2; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 13.02.2009; Aktenzeichen 324 O 554/08) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 24, vom 13.2.2009 - 324 O 554/08 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich des Verbotsausspruchs gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 15.000 EUR, hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen ein Urteil, mit dem sie zur Unterlassung der Verbreitung einer Berichterstattung sowie zur Freihaltung des Klägers von vorgerichtlichen Anwaltshonoraren verurteilt worden ist.
Die Beklagte betreibt die Homepage "www.s.-o.de", auf der seit dem 10.5.2008 unter der Überschrift "München: Polizei schnappt O.-Söhne" der beanstandete Bericht über den Kläger und seinen Bruder, die Söhne des Schauspielers U. O., erschien (Anlage 1). Im ersten Absatz ist von "... wüster Randale in der Münchner Innenstadt ... " die Rede. Berichtet wird u.a., sie hätten in der Nacht auf den 1.5.2008 Fahrräder traktiert, Blumenbeete zerstört und eine Telefonzelle auseinandergenommen. Der vorletzte Absatz des Beitrags endet mit dem Satz: "Allerdings droht dem Promi-Brüderpaar jetzt ein Verfahren wegen Sachbeschädigung."
Unstreitig hatte der damals 16 Jahre alte Kläger in einer Telefonzelle einen Telefonhörer abgerissen, als er so tat, als hielte ihn der Telefonhörer gefangen, und wurde von der Polizei auf die Wache mitgenommen, wohin ihn sein Bruder begleitete, dem möglicherweise vorgeworfen wurde, einige Tulpen herausgerissen zu haben. Die Angelegenheit wurde von der Staatsanwaltschaft nicht weiter verfolgt.
Zum Sachverhalt im Übrigen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des LG abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zu den Ausführungen der Parteien wird auf die in der Akte befindlichen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet.
1. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die verwiesen wird, hat das LG dem Kläger einen Unterlassungsanspruch gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog in Verbindung mit Artt. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG zugesprochen, da die angegriffene Berichterstattung ihn bei bestehender Wiederholungsgefahr rechtswidrig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.
Im Hinblick auf die Berufungsbegründung ist hierzu zu ergänzen:
a) Auch nach Auffassung des Senats führt die vorzunehmende Abwägung der Interessen der Beklagten, namentlich der Berichterstattungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG und des Klägers am Schutz seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Artt. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Falles zu einem Vorrang des vom Kläger geltend gemachten Anonymitätsschutzes.
aa) Im Rahmen der Interessenabwägung ist zugunsten der Beklagten zu beachten, dass ein öffentliches Informationsinteresse daraus folgt, dass der Kläger als Nachwuchsschauspieler und -sänger vorwiegend bei einem jugendlichen Publikum eine gewisse Prominenz erlangt hat und bestrebt ist, diese kommerziell zu nutzen. Allein seine Popularität in ihrer konkreten Ausprägung begründet jedoch noch kein normativ schutzwürdiges Interesse an einer umfassenden Information der Öffentlichkeit über sein Verhalten (vgl. BVerfG, AfP 2006, 354 ff.). Vielmehr ist daneben auf seine gesellschaftliche Stellung und sein bisheriges Verhalten in der Öffentlichkeit abzustellen (vgl. BGH NJW 1964, 1950 ff., 1952).
Selbst wenn der Kläger im Rahmen der kommerziellen Nutzung seiner Popularität auch in Computerspielen als Spielfigur eingesetzt wird und die Spiele in der Werbung als "3D Rollenspiel mit den Helden Ihrer Kinder" bezeichnet werden, f...