Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 324 O 78/15) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 3. Juni 2016, Geschäftsnummer 324 O 78/15, wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Gründe
gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 u. 2 ZPO:
A. Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Inhalt zur weiteren Sachdarstellung ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger verlangt von den Beklagten Unterlassung der Verbreitung von Filmszenen, die im Film "Die Auserwählten" die Filmfigur "Frank Hoffmann", gespielt vom Schauspieler ..., zeigen.
Der Kläger war in den Schuljahren 1982/83, 83/84 und 84/85 Schüler der Odenwaldschule. Er war dort Mitglied der "Heimfamilie" des Schuldirektors ... und über mehrere Jahre regelmäßig Opfer sexuellen Missbrauchs.. Die Beklagte zu 2) produzierte im Auftrag der Beklagten zu 1) den Film "Die Auserwählten", der sich mit der Thematik des Missbrauchs an der Odenwaldschule befasst. Der Film wurde am 1. Oktober 2014 um 20:15 Uhr in der ARD und am 4. Oktober 2014 auf "EinsFestival" ausgestrahlt. Zum weiteren Sachverhalt wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat zur Begründung seines Urteils ausgeführt, dass keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers vorliege. Zwar neige es dazu, die Erkennbarkeit des Klägers als Vorbild für die Figur des Frank Hoffmann aufgrund einer hohen Kumulation von Identifizierungsmerkmalen anzunehmen. Dies folge daraus, dass die Authentizität der im Film dargestellten sexuellen Übergriffe jedenfalls für die Leser des vom Kläger verfassten Buches, das sich mit der Thematik befasst, erkennbar sei. Eine weitere Übereinstimmung bestehe darin, dass der Frank Hoffmann im Film vom Schulleiter Turnschuhe geschenkt bekomme und auch der Kläger seinerzeit ein entsprechendes Geschenk bekommen habe. Weiter würden die Authentizität der im Film dargestellten Umgebung und die erkennbare Darstellung anderer real existierender Personen für eine Erkennbarkeit des Klägers sprechen. Daneben seien als weitere Parallelen zwischen der Figur des Frank und dem Kläger die Optik und die Rolle als Aufklärer in der Öffentlichkeit zu berücksichtigen.
Für die Beklagten streite jedoch die Kunstfreiheit. Sie hätten zwar als juristische Personen nicht eigenschöpferisch an der Entstehung mitgewirkt, seien jedoch maßgeblich an der Realisierung des Projekts und der Verbreitung beteiligt gewesen, was ebenfalls vom Gewährleistungsgehalt des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG erfasst sei. Unter Zugrundelegung der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Maßstäbe sei kein so schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers gegeben, dass die Kunstfreiheit zurückzutreten habe. Es gebe keinen generellen Schutz davor, Vorbild für eine fiktive Figur zu werden. Beim streitgegenständlichen Film handele es sich erkennbar um einen Spielfilm und nicht um eine Dokumentation mit umfassendem Faktizitätsanspruch. Zwar seien Parallelen zur Realität erkennbar. Daneben bestünden aber auch Abweichungen zwischen der Handlung des Films und realen Gegebenheiten, die als Verfremdungen die Anforderungen an die Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers erhöhten. Der verwendete Disclaimer könne zwar für sich genommen nicht zur Annahme einer Fiktionalität führen, da diese Beurteilung stets aus dem Film selbst heraus erfolgen müsse. Auch sei es so, dass die vom Kläger angeführten Abweichungen von der Wirklichkeit - Darstellung seines Zimmergenossen Tim Boße als Missbrauchsopfer und die Figur der Petra Grust - vom Zuschauer nicht ohne weiteres als fiktional erkannt würden. Gleichwohl habe das Persönlichkeitsrecht des Klägers im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung zugunsten der Kunstfreiheit zurückzutreten.
Dass der Zimmergenosse des Klägers Till Boße anders als im Film tatsächlich nicht Opfer sexueller Gewalt geworden sei, wirke sich nicht in hinreichend erheblicher Weise auf das Persönlichkeitsrecht des Klägers aus. Auch dass es in der Realität keine der Biologielehrerin Petra Grust vergleichbare Person gegeben habe, die den Protagonisten zur Seite gestanden und versucht habe, die Geschehnisse an die Öffentlichkeit zu bringen, führe im Ergebnis nicht zur Rechtswidrigkeit der Szenen. Zwar sei denkbar, dass die Fiktionalität dieser Figur von den Zuschauern nicht erkannt und die Situation für den Kläger im Film damit harmloser dargestellt werde, als sie es tatsächlich gewesen sei. Allerdings ergebe sich auch aus dem Film, dass es der Kläger gewesen sei, der die Offenlegung der Geschehnisse maßgeblich vorantrieb und für Aufklärung kämpfte. In der dramaturgisch bedingten Einführung der Figur der Petra Grust komme schließlich auch die von der Kunstfreiheit geschützte künstlerische Gesta...