Leitsatz (amtlich)

Die werbliche Aussage, ein biotechnologisch hergestelltes Generikum (Biosimilar) i.S.d. Art. 10 Abs. 4 der Richtlinie 2001/83/EG verfüge erwiesenermaßen über ein im Vergleich zum Originalarzneimittel "äquivalentes Sicherheitsprofil", ist irreführend, wenn dieser Vergleich nicht auf einer wissenschaftlich validen Untersuchung der Sicherheitsprofile, sondern hinsichtlich des Generikums lediglich auf Wirksamkeitsstudien beruht.

 

Normenkette

UWG §§ 3, 4 Nr. 11, § 5; HWG § 3; Richtlinie 2001/83/EG i.d.F. der Richtlinie 2004/27/EG Art. 10 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 26.06.2008; Aktenzeichen 315 O 1032/07)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 15, vom 26.6.2008, Geschäfts-Nr. 315 O 1032/07, wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, sofern nicht die vollstreckende Partei Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin vertreibt das Arzneimittel G., die Beklagte das Arzneimittel O. Beide Medikamente enthalten als Wirkstoff das Wachstumshormon Somatropin und sind zur Behandlung verschiedener Wachstumsstörungen bei Kindern und Erwachsenen zugelassen.

G. ist seit 1988 in Deutschland zugelassen und zählte zu den ersten verfügbaren rekombinanten humanen Somatropin-Präparaten. O. hat im Jahr 2006 die zentrale europäische Zulassung als sog. Biosimilar erhalten. Bei einem Biosimilar handelt es sich um ein Generikum eines nicht mehr patentgeschützten, nicht durch chemische Synthese, sondern biotechnologisch hergestellten rekombinanten Originalarzneimittels. Anders als im Falle chemisch produzierter Generika ist die Erstellung einer chemisch identischen Kopie eines rekombinanten Arzneimittels nicht möglich, weil es sich hierbei um hochkomplexe dreidimensionale Proteine handelt, die aus biologischem Material isoliert oder gentechnisch mit Hilfe von lebenden Zellen produziert werden.

Die Klägerin beanstandet im vorliegenden Hauptsacheverfahren die in einer u.a. in der "Ärztezeitung" sowie in der Zeitschrift "Ärztliche Praxis" Anfang Juli 2007 erschienenen Werbeanzeige (Anlage K 1) für O. enthaltene Angabe "Sicherheitsprofil äquivalent zum Erstanbieter". Die Parteien sind sich darüber einig, dass mit der Bezeichnung "Erstanbieter" für die angesprochenen Ärzte klar erkennbar das Präparat G. der Klägerin gemeint ist.

Die Klägerin hat geltend gemacht, mit der beanstandeten Angabe verstoße die Beklagte gegen §§ 3, 4 Nr. 11, 5, 6, 8 UWG i.V.m. § 3 HWG. Diese Angabe sei irreführend, weil sie von den angesprochenen Verkehrskreisen - Ärzte aller Fachrichtungen, insbesondere auch Allgemein- und Hausärzte - dahingehend verstanden werde, O. sei in Bezug auf die Sicherheit in jeder Hinsicht mit G. gleichwertig, obwohl dies nicht der Fall sei. Die Ärzte sollten aufgrund der Aussage darauf vertrauen, dass O. ebenso sicher und unbedenklich sei wie G. und dass hinsichtlich der Art, Schwere und Häufigkeit von Nebenwirkungen kein Unterschied zum Originalpräparat bestehe. Die angegriffene Aussage erwecke auch den Eindruck, die Gleichwertigkeit sei hinreichend wissenschaftlich erwiesen, weil der Verkehr bei vergleichenden Aussagen zu Arzneimitteln stets erwarte, dass diese auf einer validen wissenschaftlichen Grundlage, also Studien des höchsten Evidenzgrades - direkten, prospektiv geplanten, randomisierten, doppelblinden und placebokontrollierten klinischen Vergleichsstudien - beruhten. Der durch die angegriffene Aussage hervorgerufene Eindruck sei jedoch nicht wissenschaftlich valide belegt. Es existierten keine Studien, die die genannten Anforderungen erfüllten, sowie nicht einmal Metaanalysen. Der bloße Status als Biosimilar genüge zum Nachweis einer Äquivalenz der Sicherheit und Unbedenklichkeit nicht. Die Zulassung als Biosimilar zeige lediglich, dass das Präparat nach den europäischen Richtlinien als "ähnlich" gelten könne. Die Beklagte schulde ferner Schadensersatz und Auskunft sowie Ersatz der ihr, der Klägerin, entstandenen Abmahnkosten.

Die Klägerin hat beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Vermeidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu unterlassen, für das Arzneimittel O. mit der Aussage zu werben "Sicherheitsprofil äquivalent zum Erstanbieter" insbesondere wenn dies geschieht wie in Anlage K 1;

2. der Klägerin Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die vorstehend zu I.1 bezeichnete Handlung begangen hat;

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die vorstehend zu Ziff. I.1. bezeichnete Handlung entstanden ist und künftig noch entstehen wird;

III. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 2.687,60 nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentp...

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