Entscheidungsstichwort (Thema)
Ichthyol/Ethyol II
Leitsatz (amtlich)
1. Ichthyol ist keine bekannte Marke i.S.v. § 14 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG, aber ein namhaftes Kennzeichen (Marke/Geschäftsbezeichnung), das weiten Teilen der angesprochenen Verkehrskreise vertraut ist. Dies hat eine erhebliche Steigerung der Kennzeichnungskraft zur Folge.
2. Bei Arzneimitteln orientiert sich der Verkehr nicht ausschließlich an der eigentlichen Produktbezeichnung, sondern auch an einer Herstellerbezeichnung, die als zusätzliches Identifizierungsmerkmal in der Art einer Zweitmarke auf der Schauseite der Verpackung abgedruckt ist.
3. Zwischen einem (nicht verschreibungspflichtigen) (Salben)Präparat auf der Basis von sulfonierten Schieferölen (Klagemarke) und einer (hochspezialisierten) Trockensubstanz zum Schutz gegen die Zytotoxitität ionisierender Strahlen in der Strahlen-/und Chemotherapie zur Krebsbehandlung (Beanstandungszeichen) besteht selbst dann keine Warenidentität, sondern allenfalls eine geringe bis nötige Warenähnlichkeit, wenn die Klagemarke uneingeschränkt für den Warenbereich „Arzneimittel” geschützt ist.
4. Zu den Kriterien für die Beurteilung der Identität/-Ähnlichkeit von Waren, die unter denselben (weiten) Oberbegriff ein und desselben Warenbereichs (hier: „Arzneimittel”) fallen.
Normenkette
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2, § 15 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 29.01.1997; Aktenzeichen 315 O 103/96, I ZR 110/03) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 15, vom 29.1.1997 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 28.000 Euro abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision gegen das Urteil wird zugelassen und beschlossen:
Der Streitwert wird auch für das wiedereröffnete Berufungsverfahren auf 255.645,94 Euro (entspricht erstinstanzlich festgesetzten 500.000 DM) festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin ist ein im Jahre 1884 gegründetes pharmazeutisches Familienunternehmen, das medizinische Präparate auf der Basis von sulfonierten Schieferölen herstellt und vertreibt. Ihre Tätigkeit begann mit der Entwicklung und Herstellung eines in der Dermatologie einsetzbaren Rohstoffes mit dem Namen „ICHTHYOL” – abgeleitet von der griechischen Bezeichnung der prähistorischen Schuppenfische „ichthys” und der lateinischen Bezeichnung „oleum” für Öl (Anlage K 9). Inzwischen umfasst das Sortiment der Klägerin darüber hinaus eine Reihe anderer Präparate, die nicht nur äußerlich aufgetragen werden, sondern auch in den Darreichungsformen Tablette, Kapsel oder Zäpfchen für die Bereiche Dermatologie, Gynäkologie, Orthopädie und Urologie angeboten werden. Sie vertreibt eine Vielzahl von Produkten, bei denen sich – neben einer Reihe anderer Produktnamen – zum Teil die Anfangssilbe „Ichth”, zum Teil die Schlusssilbe „thol” bzw. „thyol” findet (Präparateverzeichnis der Klägerin in Anlage K 1). Soweit diese Produkte für den Export bestimmt sind, werden sie in Hamburg mit der Marke versehen und fertiggestellt.
Die Klägerin verfügt über zwei Wortmarken ICHTHYOL, Nr. … (Anlage K 2) mit Priorität von 1895 für aus schwefelhaltigen Kohlenwasserstoffen hergestellte chemische und pharmazeutische Produkte und Nr. 97437 (Anlage K 3) mit Priorität von 1907 u.a. für Arzneimittel und pharmazeutische Präparate. Sie besitzt außerdem eine Wort-/Bildmarke, Nr. … (Anlage K 4), die eine Priorität von 1963 für ebenfalls Arzneimittel aufweist. Unter der Bezeichnung ICHTHYOL vertreibt die Klägerin einen Rohstoff als Rezeptursubstanz und eine Salbe als Fertigarzneimittel, die rezeptfrei in der Apotheke erhältlich ist. Sie verwendet die Bezeichnung ICHTHYOL außerdem in ihrer als Wort-/Bildmarke geschützten Form eines Firmenlogos in der Art einer Zweit- bzw. Dachmarke einheitlich neben dem eigentlichen Produktnamen zumindest auf der überwiegenden Zahl von Umverpackungen der von ihr vertriebenen Produkte (Anlage K 9, s. etwa Verpackung von „Ichtholan” in Anlage K 10). Die Bezeichnung ICHTHYOL bzw. „ICHTHYOL-Gesellschaft” wird als verkürzter Bestandteil des Firmennamens von der Klägerin als Firmenschlagwort im täglichen Gebrauch verwendet (Anlage K 11).
Sie findet sich als ICHTHYOL zum anderen – in einer grafischen Gestaltung – auf den von der Klägerin verwendeten Produktverpackungen. Im Jahr erwirtschaftet die Klägerin mit ihrer gesamten Produktpalette in Deutschland einen Umsatz von etwa 33 Mio. DM. Auf die ICHTHYOL-Salbe entfiel im Jahr 1995 ein Umsatz von 77.000 DM.
Die Beklagte ist ein amerikanisches Unternehmen, das sich mit der Entwicklung neuer Krebsbehandlungsmittel und -therapien befasst.
Sie meldete am 28.4.1994 beim Deutschen Patentamt die Wortmarke Ethyol für therapeutische i.V.m. Chemo- und Strahlentherapie zu verabreichende Arzneimittel i...