Entscheidungsstichwort (Thema)
"Cold Calls"
Leitsatz (amtlich)
1. Die Bezeichnung "Telekommunikationsdienstleistungen"kann jedenfalls dann i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt sein, wenn im Rahmen sog. "Cold Calls" eine Vielzahl von Produkten, wie DSL-Anschlüsse und DSL-Tarife, einschließlich Flatrates, DSL-Telefonie, DSL-Splitter sowie sonstige Hardware und allgemein Produkte des anbietenden Telekommunikationsunternehmens angeboten werden.
2. Zur Zulässigkeit einer Klagänderung in der Berufungsinstanz.
3. Die Wiederholungsgefahr ist ein tatsächlicher Umstand, der sich nach den Verhältnisen in der Person des aäs Verletzer in Anspruch genommenen zu beurteilen. Die Wiederholungsgefahr kann nur bei Vorliegen besonderer Umstände auf gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG durch Aufschmelzung entstandene Rechtspersönlichkeit übergehen.
Normenkette
UWG §§ 3, 7 Abs. 2 Nr. 2, § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1; UmwG § 20 Abs. 1 Nr. 2; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 16.02.2007; Aktenzeichen 406 O 254/06) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Hamburg, Kammer 6 für Handelssachen, vom 16.2.2007 (406 O 254/06) unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen im Kostenausspruch abgeändert und im Tenor unter I. wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 EUR, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Verbraucher unter deren privaten Telefonanschlüssen anzurufen und/oder anrufen zu lassen, um diesen entgeltliche Telekommunikationsdienstleistungen anzubieten, sofern eine vorherige Einwilligung des Verbrauchers zu einem derartigen Werbeanruf nicht vorliegt.
Von den Kosten des Rechtsstreites trägt der Kläger 4/5 und die Beklagte 1/5.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
und beschließt:
Der Streitwert der Berufung wird auf 18.950 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger ist als eingetragener Verein eine Einrichtung i.S.d. §§ 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG, 3. 4 UKlaG. Die Beklagte bietet aufgrund Umwandlung als Rechtsnachfolgerin der f.de AG mit Wirkung vom 2.3.2007 diverse Telefondienstleistungen an.
Der Kläger hat erstinstanzlich mit der Klagschrift vom 11.9.2006 vorgetragen, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die f.de AG, verschiedentlich Verbraucher zu Hause oder auf ihrem Handy, also unter ihrem Privatanschluss angerufen habe bzw. habe anrufen lassen, ohne dass die Verbraucher zuvor ihre Einwilligung hierzu erteilt hätten (sog. Cold Calls), um Telefondienstleistungen anzubieten, und zwar - unstreitig - in folgenden 2 Fällen:
- S.K. (29.5.2006, 15.30 Uhr; Angebot eines DSL-Anschlusses der f.de AG)
- M.G. (29.5.2006, 12.42 Uhr; Angebot einer günstigen Flatrate)
Nachdem die Rechtsvorgängerin der Beklagten unter dem 1.12.2006 Stellung genommen hat, wobei sie nur den zu weiten Unterlassungsantrag rügte, trug der Kläger mit dem am 8.1.2007 eingegangenen Schriftsatz vom 5.1.2007 weitere 6 Fälle von Cold Calls vor:
- S.-M.A. (28.12.2006, 12.19 Uhr; Angebot eines günstigen Telefon- und Internetanschlusses)
- K.-M.A. (13.12.2006, 16.05 Uhr; Angebot eines neuen DSL-Tarifangebots)
- S.K. (18.10.2006, 17,15; Angebot eines günstigen Telefonanschlusses)
- W.H. (28.10.2006, 12.33 Uhr; Angebot eines günstigen Telefon-Internet-Angebots)
- V.Z. (1.11.2006, 16.15 Uhr; Angebot eines günstigen DSL-Produkts)
- A.J. (10.10.2006, 11.30 Uhr; Angebot eines günstigen PreSelect-Angebots)
Das LG leitete diesen Schriftsatz lediglich weiter, ohne im Rahmen prozessleitender Maßnahmen zugleich zur Stellungnahme aufzufordern. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten bestritt mit Schriftsatz vom 1.2.2007 die "nachgeschobenen" Fälle und trug vor, dass ihr in dem von der Deutschen Telekom gegen sie geführten Verfügungsverfahren durch das die einstweilige Verfügung des LG Hamburg vom 29.8.2005 (315 O 609/05, Anlage B 1) bestätigende Widerspruchsurteil vom 6.10.2006 (Anlage B 2) u.a. verboten worden sei, "im Rahmen der Akquise von DSL-Anschlüssen Verbraucher anzurufen und/oder anrufen zu lassen, wenn diese zuvor nicht ausdrücklich erklärt haben, zu Werbezwecken angerufen zu werden wollen, und dieses Einverständnis, insbesondere aufgrund eines bestehenden Vertragsverhältnisses mit der Antragsgegnerin auch nicht zu vermuten ist." Die Rechtsvorgängerin der Beklagten gab im Hinblick hierauf unter dem 26.10.2006 ggü. der Deutschen Telekom AG die Abschlusserklärung vom 26.10.2006 (Anlage B 3) ab.
In der mündlichen Verhandlung vor dem LG Hamburg vom 2.2.2007 hat der Kläger erklären lassen, dass er die Klage auf alle vorgetragenen Fälle stütze.
Das LG Hamburg hat die Beklagte mit Urteil vom 16.2.2007 antragsgemäß zur Unterlassung und zur Zahlung von 200 EUR nebst 5 % Zinsen seit dem 27.9.2006 v...