Leitsatz (amtlich)
Ein Unterfrachtführer, der vom Hauptfrachtführer angewiesen worden ist, das mit Computern beladene Fahrzeug ausschließlich auf bewachten oder sicheren Parkplätzen abzustellen, hat durch eine entsprechende Organisation des Transports für eine Einhaltung dieser Weisung durch seinen Fahrer Sorge zu tragen. Ignoriert er diese Weisung, so beruht der Schaden auf seiner Leichtfertigkeit, wenn Ware des Nachts aus dem auf einer Autobahnraststätte in Nordfrankreich abgestellten Lkw gestohlen wird. Sein leichtfertiges Verhalten lässt nach den Fallumständen den Rückschluss auf das Bewusstsein einer Schadenswahrscheinlichkeit zu.
Normenkette
CMR Art. 29
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 411 O 90/99) |
Tenor
Die Berufungen der Beklagten und der Nebenintervenientin gegen das Urteil des LG Hamburg, Kammer 11 für Handelssachen, vom 10.11.1999 (LG Hamburg v. 10.11.1999 – 411 O 90/99) werden zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der durch die Nebenintervention verursachten Kosten, die der Nebenintervenientin auferlegt werden.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 178.000 DM abzuwenden, wenn diese nicht vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Das Urteil beschwert die Beklagte um 140.421,43 DM.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht der bei ihr transportversicherten T E. GmbH (im Folgenden: T) Schadensersatz wegen des Verlustes von Transportgütern geltend.
Die Versicherungsnehmerin der Klägerin beauftragte die Beklagte, am 7.7.1998 einen Transport von Computern, Desktop und Zubehör im Gesamtwert von über 2 Mio. DM (37 Paletten im Gesamtgewicht von 6.841 kg) zum Festpreis per Lkw von R. nach S. (nördlicher Vorort von Paris) durchzuführen. Die Ausführung dieses Transportes übertrug die Beklagte der Nebenintervenientin als Unterfrachtführerin. Die Beklagte vereinbarte mit dieser, dass die Fahrtstrecke soweit möglich auf Autobahnen verlaufen müsse und das Transportfahrzeug ausschließlich auf bewachten oder sicheren Parkplätzen abgestellt werden dürfe (vgl. Anl. K 3). In Nordfrankreich gibt es allerdings unstreitig keine bewachten Autobahnparkplätze. Der Fahrer stellte den beladenen Lkw nachts in der Zeit von 2.30 Uhr bis 7.30 Uhr auf dem unbewachten, aber beleuchteten Parkplatz der Autobahnraststätte „Aire Reims de Champagne” ab und hielt sich währenddessen in der Raststätte auf. In dieser Zeit wurde das Fahrzeug aufgebrochen, und es wurden die in der Auflistung Anl. K 5 angeführten Transportgüter gestohlen. Die Kriminalpolizei Aachen stellte später drei der gestohlenen technischen Geräte sicher und gab sie an die Versicherungsnehmerin zurück (vgl. Anl. K 6). Die gestohlenen Artikel hatten ein Gewicht von 232 kg.
Zur Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des Urteils des LG Hamburg vom 10.11.1999 verwiesen.
Das LG hat durch das vorgenannte Urteil der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 140.421,43 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 14.3.1999 zu zahlen. Es hat zur Begründung ausgeführt: Die Klage sei aus abgetretenem Recht der Firma T. gem. Art. 17 Abs. 1, 23 Abs. 1, 3, 29 Abs. 2 CMR vollen Umfangs begründet. Die Haftung der Beklagten sei nicht gem. Art. 23 Abs. 3 CMR summenmäßig beschränkt. Auf diese Haftungsbeschränkung könne sich die Beklagte gem. Art. 29 Abs. 2 CMR nicht berufen, weil das Verhalten der Unterfrachtführerin und deren Fahrers leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, geschehen sei. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils verwiesen.
Das Urteil ist der Beklagten am 11.11.1999 und der Nebenintervenientin am 15.11.1999 zugestellt worden. Die Beklagte hat am 13.12.1999, einem Montag, und die Nebenintervenientin am 15.12.1999 Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungen der Beklagten und der Nebenintervenientin sind nach Verlängerung der Begründungsfrist für die Beklagte bis zum 20.1.2000 jeweils am 14.1.2000 eingegangen.
Die Beklagte macht geltend: Das LG habe zu Unrecht ein Verschulden i.S.d. § 435 HGB n.F. bejaht. Im vorliegenden Fall gehe es um einen Ladungsdiebstahl in Nordfrankreich, für das eine erhöhte Diebstahlsgefahr von der Rechtsprechung nicht festgestellt und zudem von der Klägerin nicht vorgetragen worden sei. Das LG habe die Fallumstände nicht hinreichend berücksichtigt:
Es seien nur Einzelstücke aus drei Paletten entwendet worden. Dem Lkw sei nicht anzusehen gewesen, dass die Ladung aus Computerartikeln bestand. Der Fahrer habe ein Restaurant gewählt, das einen freien Blick auf den Lkw geboten habe. In Nordfrankreich gebe es – unstreitig – keinen bewachten Autobahnparkplatz. Es müsse berücksichtigt werden, welche konkreten Möglichkeiten einer gesicherten Fahrtunterbrechung es gegeben habe, um vorgeschriebene Pausen einzuhalten. Es könne nicht...