Entscheidungsstichwort (Thema)
Stundungsvereinbarung für aufgelaufene Rückstände zur Sozialversicherung gilt nicht für zukünftige Beiträge
Leitsatz (amtlich)
1. Die öffentlich-rechtliche Pflicht des Arbeitgebers zur Abführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung ist ggü. sonstigen schuldrechtlichen Verbindlichkeiten deutlich hervorgehoben und daher vorrangig vor den sonstigen Verpflichtungen zu erfüllen, die ggü. Arbeitnehmern, Finanzamt, Banken oder Lieferanten bestehen.
2. Eine Vereinbarung, aufgelaufene Rückstände zur Sozialversicherung durch Ratenzahlung tilgen zu dürfen, berechtigt den Schuldner nicht, auch zukünftig fällig werdende Beiträge als gestundet anzusehen.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 04.10.2002; Aktenzeichen 303 O 58/02) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten zu 1) gegen das Schluss-Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 3, vom 4.10.2002 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte zu 1) trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten zu 1) bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagten in Anspruch wegen der Nichtabführung von Arbeitnehmeranteilen an den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen.
Beide Beklagte waren alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der H. Bauunternehmung …-GmbH mit Sitz in D. (im Folgenden Schuldnerin). Die in der Klageschrift aufgeführten Arbeitnehmer der Schuldnerin waren bei der Klägerin krankenversichert.
Nachdem die Klägerin im März 2000 bei der Schuldnerin den Ausgleich von Beitragsrückständen i.H.v. 146.291,70 DM für die Zeit bis zum Februar 2000 angemahnt hatte, schickte die Schuldnerin der Klägerin mit Schreiben vom 3.4.2000 einen Verrechnungsscheck über 26.291,70 DM und bot für den Restbetrag von 120.000 DM einen Ausgleich durch vier Raten über jeweils 30.000 DM an, die sie in der 17., 22., 26. und 30. Kalenderwoche zahlen wollte. Mit diesem Angebot erklärte sich die Klägerin im Grundsatz einverstanden, wies aber darauf hin, dass nach § 24 SGB IV auf rückständige Beiträge ein Säumniszuschlag von monatlich 1 % zu erheben sei. Gerate die Schuldnerin mit einer Zahlung länger als 2 Wochen in Rückstand, gelte die Teilzahlungsgenehmigung als widerrufen. Die Klägerin werde dann Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen der gesamten Restforderung einleiten.
Zahlungen, die die Schuldnerin in der nachfolgenden Zeit leistete, verrechnete die Klägerin auf die Beitragsrückstände. Von den 30.000 DM, die ihrem Konto am 5.7.2000 gutgeschrieben wurden, rechnete sie einen Teil auf die Beitragsrückstände für die Monate Dezember 1999 und Januar 2000 an. Einen Teilbetrag von 20.921,70 DM schrieb sie der Schuldnerin hinsichtlich der Beitragsschuld für den Monat Februar 2000 (insgesamt 41.933,34 DM) gut.
Mit Beschluss vom 1.8.2000 hat das AG D. das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet.
Mit ihrer Klage fordert die Klägerin von den Beklagten als den Geschäftsführern der Schuldnerin die Zahlung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung für die bei ihr versicherten Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin für die Monate Februar 2000 (anteilig), März, April und Mai 2000 gem. der Aufstellung in der Anlage K 1, insgesamt 53.359,42 DM = 27.282,24 Euro.
Während sich der Beklagte zu 2) im vorliegenden Rechtsstreit nicht verteidigt und das gegen ihn ergangene Versäumnis-Teil-Urteil vom 15.4.2002 (Blatt 32 d.A.) hingenommen hat, hat der Beklagte zu 1) in Abrede gestellt, für die ausstehenden Zahlungen der Schuldnerin an die Klägerin bezüglich der Monate Februar bis Mai 2000 verantwortlich zu sein.
Mit Schluss-Urteil v 4.10.2002 hat das LG den Beklagten zu 1) verurteilt, als Gesamtschuldner mit dem Beklagten zu 2) an die Klägerin 27.282,24 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 6.11.2002 zu zahlen.
Gegen das ihm am 14.10.2002 zugestellte Urteil hat der Beklagte zu 1) am 31.10.2002 Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis zum 14.1.2003 mit dem beim Berufungsgericht am 9.1.2003 eingegangenen Schriftsatz vom 6.1.2003 wie aus Blatt 125 bis 144 der Akte ersichtlich begründet.
Der Beklagte zu 1) beantragt, das Urteil des LG Hamburg vom 4.10.2002 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung ist zulässig, sie bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das LG den Beklagten zu 1) verurteilt, gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 14, 266a Abs. 1 StGB als Gesamtschuldner mit dem Beklagten zu 2) 27.282,24 Euro an die Klägerin zu zahlen. Auf die Entscheidungsgründe des LG nimmt der Berufungssenat Bezug. Im Hinblick auf das Vorbringen des Beklagten zu 1) in der Berufungsinstanz ist zusammenfassend ergänzend auszuführen:
Als Geschäftsfü...