Entscheidungsstichwort (Thema)
Handy-Klingeltöne II
Leitsatz (amtlich)
1. Die Nutzung urheberrechtlich geschützter Musik als Handy-Klingelton stellt einen Eingriff in das Urheberpersönlichkeitsrecht gem. den §§ 14,23 UrhG dar. Dies gilt gleichermaßen für monophone und polyphone Klingeltöne. Die Nutzung von Musik als Klingelton kommt eher einer Merchandising-Nutzung nahe als der herkömmlichen Nutzung in Konzerten, im Rundfunk oder auf Tonträgern (Fortführung der Senatsrechtsprechung, s. GRUR-RR 2002, 249).
2. Durch die Änderung des GEMA-Berechtigungsvertrages im Jahre 2002 ist die GEMA nicht umfassend berechtigt worden, die Rechte zur Bearbeitung und Verwendung von Musik als Handy-Klingelton ohne Zustimmung der Urheber zu vergeben.
3. Die Zustimmung der Urheber ist auch dann einzuholen, wenn der Urheber einem anderen Nutzer bereits eine identische oder unwesentlich abweichende Klingeltonversion lizenziert hat.
Normenkette
UrhG §§ 14, 23
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 18.03.2005; Aktenzeichen 308 O 554/04) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Hamburg - Zivilkammer 8 - vom 18.3.2005 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 30.000 EUR abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird auch für die Berufungsinstanz auf 25.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Berechtigung der Beklagten, einer in der Schweiz ansässigen Gesellschaft, das Musikwerk "Rock my Life" über das Internet als Handy-Klingelton zum Anhören und entgeltlichen Download anzubieten. Der Kläger zu 1) ist der Komponist dieses Werks und die Klägerin zu 2) ein Musikverlag, mit dem der Kläger zu 1) durch einen Autorenexklusivertrag verbunden ist.
Zwischen den Parteien ist kein Lizenzvertrag über die Nutzung des Musikwerks als Handy-Klingelton geschlossen worden. Die Beklagte leitet ihre Rechte aus einem zwischen ihr und der SUISA, der schweizerischen Wahrnehmungsgesellschaft für Werke der Musik, abgeschlossenen Rahmenvertrag einerseits und aus zwischen der SUISA und der GEMA bestehenden Repertoire-Austauschverträgen andererseits her. Insbesondere beruft sich die Beklagte auf den im Sommer 2002 geänderten Berechtigungsvertrag, wie er zwischen den Urhebern und der GEMA standardmäßig geschlossen wird. Dessen § 1h ist aufgrund eines Beschlusses der Mitgliederversammlung um folgende Klausel ergänzt worden:
"Die Rechteübertragung erfolgt zur Nutzung der Werke der Tonkunst auch als Ruftonmelodien."
Nach Auffassung der Beklagten kann die GEMA infolge dieser Vertragsänderung ohne Mitwirkung der Urheber bzw. Verlage die Rechte zur Nutzung von Musikwerken als Handy-Klingelton vergeben. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Urheber schon früheren Nutzern die Verwendung ihrer Musik als Handy-Klingelton erlaubt hätten und spätere Nutzer identische oder nur unwesentlich abgewandelte Klingeltonversionen verwendeten.
Die Kläger haben beantragt, der Beklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 EUR; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) verboten, Melodien und/oder Werkteile des Musikwerkes "Rock my life" der Kläger als Handyklingelton zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen bzw. zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen und/oder solche Vervielfältigungsstücke anzukündigen, feilzuhalten, anzubieten bzw. zu bewerben.
Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrags wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen das landgerichtliche Urteil und begehrt weiterhin die Abweisung der Klage. Sie macht im Wesentlichen geltend:
Zu Unrecht habe das LG einen dinglichen Rechtevorbehalt der Urheber bezüglich der Verwendung ihrer Werke als Klingelton angenommen. Dieser lasse sich weder aus dem GEMA-Berechtigungsvertrag, den Äußerungen der GEMA, der tatsächlichen Lizenzierungspraxis noch der Interessenlage der Urheber herleiten. Er stehe auch im Widerspruch zu § 11 WahrnG und sei gem. § 134 BGB unwirksam.
Die Protokollnotiz zu den Lizenzierungsverträgen der GEMA, wonach Klingeltonverwender auch das Einverständnis der Musikverlage einholen müssten, sei erst nach der Erweiterung des Berechtigungsvertrages in die Lizenzierungsverträge aufgenommen worden (Zeugnis Prof. Dr. B.). Bei Erhalt der Benachrichtigung über die Änderungen des GEMA-Berechtigungsvertrages hätten die Urheber nicht erkennen können, dass in jedem Falle noch eine zusätzliche Lizenz der Urheber ...