Leitsatz (amtlich)
1. Der Käufer eines mangelhaften Fahrzeugs der ersten Serie (hier VW Tiguan I), die nicht mehr hergestellt wird, hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Nachlieferung eines Fahrzeugs der aktuellen Serie, das im Vergleich zum Vorgängermodell wesentlichen technischen Änderungen unterzogen wurde und somit nicht mehr gleichartig und gleichwertig ist (hier VW Tiguan II).
2. Ein Verstoß gegen § 27 Abs. 1 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG-FGV) kann schon aus Gründen des Käuferschutzes nicht zur Nichtigkeit eines KfZ-Kaufvertrages führen.
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 09.03.2018, Az. 329 O 105/17, unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
5. Der Wert des Berufungsverfahrens wird festgesetzt auf EUR 43.724,-.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte im Wege der Nacherfüllung aus einem Autokauf auf Lieferung eines Ersatzfahrzeugs in Anspruch. Die Beklagte ist Vertragshändlerin der Volkswagen AG.
Mit Auftragsbestätigung vom 2. April 2015 (Anlage K1) bestätigte die Beklagte gegenüber dem Kläger den Abschluss eines Kaufvertrages vom 30. März 2015 über ein neues Kraftfahrzeug der Marke VW-PKW Tiguan Sport & Style, 4MOTION BM Techn. 2,0 l TDI 103 kW (140 PS) 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe DSG sowie weiteren Sonderausstattungen zu einem Kaufpreis von EUR 43.724,-.
In dem am 1. Juli 2015 ausgelieferten PKW ist ein Dieselmotor des Herstellers Volkswagen AG aus der Motorbaureihe EA 189 verbaut, der für die Abgasnorm Euro 5 zertifiziert und werkseitig mit einer Steuersoftware versehen war, die zwischen Testbetrieb und normalem Fahrbetrieb unterschied. Außerhalb des Testbetriebs wurden die Schadstoffgrenzwerte für die Abgasnorm 5 nicht eingehalten.
Nachdem der Hersteller ein Software-Update entwickelt hatte, um den Modus des Prüfstands auch im regulären Fahrbetrieb zu gewährleisten, ließ der Kläger das Update durch die Beklagte am 19. Juli 2016 an seinem Fahrzeug durchführen.
Das vertragsgegenständliche Modell des VW Tiguan wird zwischenzeitlich nicht mehr hergestellt. In der aktuellen Serienproduktion ist - abgesehen von der Änderung der Software und optischen Unterschieden - ein Motor des Typs EA 288 verbaut, der mit der Abgasnorm Euro 6 zertifiziert und über eine andere Leistungsstärke verfügt. Erstmals wurde ein sog. "modularer Querbaukasten" verbaut.
Im Übrigen wird für den erstinstanzlichen Sach- und Streitstand auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Der Kläger hat erstinstanzlich die Nachlieferung eines mangelfreien fabrikneuen typengleichen Ersatzfahrzeuges aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers mit identischer technischer Ausstattung Zug um Zug gegen Rückübereignung des von ihm erworbenen VW Tiguan verlangt.
Das Landgericht hat der Klage durch Urteil vom 7. März 2018 vollumfänglich - einschließlich des weitergehenden Feststellungsbegehrens im Hinblick auf einen eingetretenen Verzug auf Seiten der Beklagten sowie geltend gemachter Rechtsanwaltskosten - stattgegeben. Aufgrund der Manipulationssoftware zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs sei das Fahrzeug mangelhaft gewesen. Die gewählte Nacherfüllung durch Neulieferung eines Fahrzeugs sei nicht unverhältnismäßig. Insbesondere könne der Kläger nicht auf das zwischenzeitlich durchgeführte Software-Update verwiesen werden, da die nach § 439 Abs. 3 BGB gebotene Interessenabwägung zu seinen Gunsten ausfalle. Aufgrund der vorgetragenen technischen Bedenken bestehe jedenfalls der plausible Verdacht, dass das Software-Update keine ausreichende Nachbesserung sei. Hinzu komme ein auf unabsehbare Zeit verbleibender Minderwert des Fahrzeugs.
Eine Nachbesserung sei dem Kläger auch angesichts der nachhaltigen Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Parteien nicht zumutbar. Angesichts der herstellerbedingten Täuschung sei für den Käufer nicht nachvollziehbar, warum dieses Update nicht schon von vornherein eingebracht worden sei. Das Verhalten der Herstellerin sei der Beklagten auch zuzurechnen, da das Software-Update nur von der Herstellerin zu erhalten sei.
Dem Kläger sei auch nicht vorzuwerfen, dass er das Software-Update habe aufspielen lassen. Damit habe er insbesondere auch nicht die Nachbesserung akzeptiert, da er hiermit lediglich öffentlich-rechtlichen Zwängen nachgekommen sei. Es sei nicht widersprüchlich, einerseits der Nachbesserung des Herstellers nicht zu vertrauen, andererseits aber die Mangelfreiheit eines auf den Markt gekommenen Neufahrzeugs dieses Herstellers anzunehmen.
E...