Leitsatz (amtlich)
1. Das Markenrecht (hier: der Inlandsmarke T.) des Arzneimittelherstellers wird verletzt, wenn beim Parallelimport (hier: des Mittels T. aus Italien) eine eigene, vom Parallelimporteur selbst hergestellte äußere Umverpackung (hier: unter Anbringen der Marke T.) verwendet wird, soweit das – i.S.d. EuGH-Rspr. zur Erschöpfung des Markenrechts – nicht „erforderlich” ist.
Beim vorliegenden Parallelimport aus Italien kann die inländische Packungsgröße des Arzneimittels durch Bündeln von überklebten Originalpackungen erzielt werden. Es gibt keinen Anhalt dafür, dass der tatsächliche Zugang zum inländischen Markt behindert ist, wenn der Parallelimporteur statt der Bündelpackung keine neue, selbst hergestellte Umverpackung verwenden darf.
2. Hat der Markeninhaber im Vorprozess eine bestimmte Aufmachung einer vom Parallelimporteur hergestellten neuen Umverpackung angegriffen, so ist ohne konkrete Erklärung des Markeninhabers daraus nicht herzuleiten, dass die Verwendung neuer Umverpackungen generell gestattet wären (keine markenrechtliche Verwirkung).
Normenkette
MarkenG §§ 14, 24; BGB § 242
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 20.08.2002; Aktenzeichen 312 O 268/02) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 12, vom 20.8.2002 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 270.000 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen und beschlossen:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Berufungsverfahren auf 255.000 Euro festgesetzt.
Gründe
A. Die Klägerin – ein weltweit tätiges Pharmaunternehmen – vertreibt ein Arzneimittel mit dem Wirkstoff Ticlopidinhydrochlorid; das Arzneimittel wird in Deutschland unter der Bezeichnung „T.” (Anlage K 1) und in Italien unter „T.” vertrieben.
Die Beklagte importiert das Arzneimittel „T.” aus Italien, packt es um und vertreibt es in Deutschland in einer von ihr selbst gefertigten Umverpackung zu 90 Tabletten (vgl. die Vertriebsanzeige und die Kopie der Umverpackung: Anlage K 3; vgl. Anlagen K 5–7).
Die Klägerin beanstandet das Umpacken des Arzneimittels in eine neue äußere Umverpackung als Markenrechtsverletzung. Sie nimmt mit der vorliegenden Klage die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.
Im vorangegangenen Verfügungsverfahren gleichen Rubrums hob das LG Hamburg mit Urteil vom 21.1.2002 (OLG Hamburg, Urt. v. 21.1.2000 – 312 O 802/01) seine Beschlussverfügung vom 11.12.2001 gegen die Beklagte unter Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrages auf, der Verbotsausspruch der Beschlussverfügung stimmte mit dem des hiesigen Klageantrags überein. Auf die Beiakte LG Hamburg 312 O 802/01 wird Bezug genommen.
Die Klägerin ist Inhaberin der IR-Marke (Wortmarke) „T.” Nr. 444 881, eingetragen für „produits pharmaceutiques ayant une activité antiplaquettaire sanguine” und registriert u.a. für Deutschland („Klagemarke Nr. 1” – Bezeichnung durch den Senat; Anlage K 1). Sie ist ferner Inhaberin der deutschen Wortmarke „T.” Nr. 1 090 468, eingetragen für „Arzneipräparate mit hemmender Wirkung auf die Blutplättchen-Aggregation” (Anlage K 2; „Klagemarke Nr. 2”).
In Deutschland gibt es „T.” in den Packungsgrößen zu 30 Tabletten (N 2) und zu 90 Tabletten (N 3). In Italien wird „T.” in der Packungsgröße zu 30 Tabletten vertrieben; eine „T.”-Packung zu 90 Tabletten gibt es in Italien nicht.
In einem früheren Rechtsstreit gleichen Rubrums (LG Hamburg – 315 O 490/98, OLG Hamburg, Urt. v. 24.8.2000 – 3 U 51/99; im Folgenden: Vorprozess) ist die Klägerin gegen die Verwendung einer bestimmten farblichen Aufmachung der von der Beklagten neu hergestellten T.-Umverpackung vorgegangen. Die Klage u.a. auf Unterlassung hatte in beiden Instanz Erfolg, die Widerklage auf Feststellung, dass die Beklagte berechtigt sei, die eigene Umverpackung in identischer Wiedergabe der von der Klägerin verwendeten Originalpackung zu verwenden, wurde abgewiesen (OLG Hamburg, Urt. v. 24.8.2000 – 3 U 51/99; Anlage K 4).
Die Klägerin hat vorgetragen: Das Verwenden einer von der Beklagten neu hergestellten Umverpackung beim Parallelimport des Arzneimittels T. sei nicht erforderlich und demgemäß unzulässig. Da das Arzneimittel in Italien in der Packung zu 30 Tabletten vertrieben werde, könne eine Packung zu 90 Tabletten unschwer durch Bündeln erreicht werden (Beweisantritt Bl. 4). Die verwendete Bezeichnung T. sei mit beiden Klagemarken verwechselbar.
Die Beklagte sei nicht aus Gründen des Marktzugangs gezwungen, eigene Umverpackungen herzustellen. Der Verbraucher sei an überklebte und gebündelte Packungen gewöhnt, das zeige schon die Umsatzentwicklung reimportierter Arzneimittel (Bl. 37–38; Anlage K 10).
Ihr (der Klägerin) Verbietungsrecht sei nicht verwirkt. Im Vorprozess (OLG Hamburg, Urt. v. 24.8.2000 – 3 U 51/99) sei die Eigenverpackung der Beklagten in einer ...