Leitsatz (amtlich)
1. Die dem Markeninhaber beim EU-Parallelimport eingeräumte Frist von 15 Arbeitstagen im Zusammenhang mit der sog. Vorabinformation und Musterübersendung (EuGH WRP 2002, 666 - Boehringer Ingelheim) betrifft allein die Frage der markenrechtlichen Erschöpfung.
2. Das bloße Schweigen des Markeninhabers auf die Vertriebsanzeige bzw. Musterübersendung bedeutet keine konkludente Zustimmung zu einer hieraus mittelbar erkennbaren Markenersetzung. Sein Schweigen schafft keinen Vertrauenstatbestand, eine Verwirkung ist schon wegen des Zeitmoments (hier: 10 Monate zwischen Vertriebsanzeige und Abmahnung) ausgeschlossen.
Normenkette
BGB § 242; EG Art. 28, 30; MarkenG §§ 14, 19, 24
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 09.12.2003; Aktenzeichen 312 O 524/03) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 12, v. 9.12.2003 - soweit die Klägerin nicht ihre Klage zurückgenommen hat - abgeändert und zur Klarstellung insgesamt neu gefasst:
1. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin unter Belegvorlage Auskunft zu erteilen über den Umfang des seit dem 15.12.2000 erfolgten Vertriebs von aus den Ländern der Europäischen Union importierten Arzneimitteln mit der Bezeichnung "Z.", die in Deutschland mit der Bezeichnung "A. 5 mg" versehen, feilgehalten, beworben oder in den Verkehr gebracht wurden, und zwar durch Vorlage eines Verzeichnisses, aus dem sich ergeben:
- die jeweils bestellten und bezogenen Waren, aufgeschlüsselt nach Packungsgrößen und den einzelnen Herstellern sowie nach Bestell- und Lieferdaten und unter Angabe der gezahlten Einkaufspreise;
- die Menge der hergestellten, von dritter Seite bestellten und der ausgelieferten Fertigware, aufgeschlüsselt nach Packungsgrößen, Herstellungs-, Bestell- und Auslieferungsdaten sowie unter Angabe der erzielten Verkaufserlöse;
- der Umsatz, die Gestehungskosten unter Angabe der einzelnen Kostenfaktoren sowie der erzielte Gewinn,
und zwar unter Vorlage der entsprechenden Bestellschreiben, Einkaufsbelege, Rechnungen und Lieferscheine für den Einkauf und den Absatz, wobei Hinweise auf die Herstellerfirmen, Lieferanten und Vorbesitzer geschwärzt werden können.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin jeden Schaden zu ersetzen, der dieser aus den vorstehend unter Ziff. 1. genannten Handlungen entstanden ist und/oder noch entstehen wird.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen, soweit sie nicht zurückgenommen worden ist.
Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Klägerin 1/10 und die Beklagten 9/10. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 1/7 und die Beklagten 6/7.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 77.000 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
und beschlossen:
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren zunächst auf insgesamt 105.000 Euro festgesetzt, davon entfallen 30.000 Euro auf die Berufung der Klägerin und 75.000 Euro auf die Berufung der Beklagten. Nach der teilweisen Klagezurücknahme ermäßigt sich der Streitwert der Berufung der Klägerin auf 15.000 Euro, nach der teilweisen Berufungszurücknahme der Beklagten ermäßigt sich der Streitwert der Berufung der Beklagten auf 32.000 Euro.
Gründe
A. Die Klägerin - ein zum A.Z.-Konzern gehörendes deutsches Pharmaunternehmen - vertreibt in Deutschland ein Herz-Kreislauf-Arzneimittel unter der Bezeichnung A., das in anderen EU-Mitgliedsländern (so auch in Spanien) von Tochtergesellschaften des A.Z.-Konzerns unter der Bezeichnung Z. vertrieben wird.
Die Beklagten befassen sich mit dem Parallelimport von Arzneimitteln, die Beklagte zu 2) ist im Mitvertrieb mit der Beklagten zu 1) tätig. Sie haben das Arzneimittel Z. aus Spanien nach Deutschland importiert, umgepackt und in "Acerbon 5 mg" umgekennzeichnet und so in Deutschland vertrieben.
Die Klägerin beanstandet das als Markenrechtsverletzung und nimmt die Beklagten mit der vorliegenden Klage auf Auskunftserteilung nebst Rechnungslegung und auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten in Anspruch.
An der Bezeichnung "Acerbon" genießt die Klägerin in Deutschland Markenschutz, wie die Beklagten nicht in Abrede nehmen; Inhaberin der deutschen Wortmarke Nr. DD 649 617 A., eingetragen für "pharmazeutische Präparate" ist die A.Z. UK Ltd. im Konzern der Klägerin (Anlage B 1; Klagemarke).
Die Beklagten haben der Klägerin mit Schreiben v. 14.12.2000 die Aufnahme des Vertriebs des Arzneimittels "Acerbon 5 mg", parallelimportiert aus Spanien, angezeigt (Anlage B 2) und Anfang des Jahres 2001 den Vertrieb aufgenommen ...